FED & EZB: Der Absturz der Superhelden

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: Sina Ettmer Photography/Shutterstock.com

Superhelden haben Konjunktur – allein Marvel wird in diesem Jahr acht neue Filme in die Kinos bringen. Auch an den Börsen tauchen immer wieder Superhelden auf – die am Ende doch keine Superkräfte haben und auf dem harten Boden der Realität aufschlagen. Nehmen Sie hier nur die vielen Crypto-Jünger, die gerade jetzt ihre Wunden lecken müssen. Auch auf eine andere Gruppe Superhelden schauen die Börsen immer wieder gebannt – mal ängstlich, mal voll freudiger Erwartung angesichts ihres vermeintlichen Einflusses auf die Wirtschaft. Die Rede ist von den Notenbankern dieser Welt. Doch stimmt das mit dem Einfluss tatsächlich oder wollen die Notenbanker die Öffentlichkeit nur davon überzeugen, dass sie alles im Griff haben?

In diesem Zusammenhang bin ich über ein Zitat des legendären US-Autors Mark Twain gestoßen: „Nicht das, was du nicht weißt, bringt dich in Schwierigkeiten, sondern das, was du sicher zu wissen glaubst, obwohl es gar nicht wahr ist.“ Genau hier kommen die Notenbanken ins Spiel. Speziell die US-Notenbank und ihre verschiedenen Präsidenten und auch Präsidentinnen waren in den vergangenen Jahrzehnten sehr zuversichtlich, mit den eigenen Entscheidungen die Wirtschaft kontrollieren zu können. In der Öffentlichkeit wurde das Bild der „Magier der Märkte“ gezeichnet. Doch wenn wir genauer hinschauen, dann ist es mit den Superkräften der Notenbanken gar nicht so weit her.

Wirtschaft ist nicht einfach – und nicht kontrollierbar

Schauen wir zunächst in die USA: Hier wächst die Kritik an der Fed. Zuletzt äußerte sich Bill White, ehemaliger Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zu dem Thema: „Die Fed hat das falsche Modell, denn es basiert auf der Idee, dass die Wirtschaft eigentlich sehr einfach und im Wesentlichen statisch ist. Es ist verständlich, weil es einfach und statisch ist und daher kontrollierbar ist. Das Modelle hat das als grundlegende Annahmen, aber es gibt ein Problem. Und das Problem ist, es ist nicht wahr. Denn die Wirtschaft ist nicht einfach, sie ist komplex; sie ist nicht statisch, sie ist anpassungsfähig. Jeder reagiert ständig auf all die Dinge, die vor sich gehen, und ändert sein Verhalten.“ Und daraus folgt ganz einfach: Die Wirtschaft ist nicht leicht verständlich und nicht einfach kontrollierbar. Das sehen wir wieder derzeit bei der Geldpolitik der Fed. Bislang wurden über Jahre hinweg die Märkte mit massiver Liquidität geflutet – nun ist die Trendwende eingeleitet worden. In den nächsten Monaten wird dem Finanzmarkt wieder Liquidität entzogen werden. Und allein die Ankündigung hat im Mix mit vielen anderen Marktrisiken wie Geopolitik, Inflation oder Lieferketten-Problemen die Börsen unter Druck gesetzt.

Notenbanker sind wohl keine Superhelden

Und wie sieht es mit der Rolle der EZB aus? Die Euro-Zone ächzt ebenfalls unter den höchsten Inflationszahlen seit Jahrzehnten – doch Christine Lagarde bleibt ruhig und die Zinsen bleiben unten. Denn der Superheldin sind die Hände gleich doppelt gebunden. Würden die Zinsen zu stark ansteigen, wäre die Schuldentragfähigkeit einiger Staaten der Euro-Peripherie gefährdet, gleichzeitig droht ein Abwürgen der Konjunktur. Und so sind zuletzt die Realrenditen in der Euro-Zone weiter ins Bodenlose gerutscht. Kurz zur Erklärung: Die Realrendite gibt die Verzinsung an, die Investoren derzeit erleben, wenn sie im aktuellen Inflationsumfeld beispielsweise auf 10-jährige Bundesanleihen setzen. Die haben zuletzt zwar wieder die +1-Prozent-Marke überwunden. Doch was nutzt das bei einer realen Inflationsrate von 8,1 Prozent? Dann rutscht die Realrendite der Investoren in der Euro-Zone auf -7,1 Prozent. Die Schere zwischen Zinsen und Inflation ging somit zuletzt immer weiter auseinander, und die Superhelden stehen bislang am Rand und sehen zu.

Vielleicht ist also das Bild des Superhelden falsch? Vielleicht passt für die Notenbanken besser das Bild des Ikarus aus der griechischen Mythologie? Der stürzte bekanntlich ab, weil er der Sonne zu nah kam und die Gefahr unterschätzte. Die kommenden Wochen und Monate werden es zeigen.

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