Institute erwarten in Österreich mehr Wachstum - aber auch mehr Inflation

Wien (Reuters) - Österreichs führende Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS haben ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr angehoben.
Allerdings werde sich das Wirtschaftswachstum im zweiten Halbjahr abflachen und die Inflation stärker zulegen als bislang gedacht, teilten die Institute am Donnerstag in ihrer Sommer-Prognose mit. Darüber hinaus sind die Aussichten für das kommende Jahr trüber. Beide Institute mussten ihre Konjunkturprognosen für 2023 deutlich senken. Die hartnäckige und hohe Inflation sowie die Verwerfungen in Folge des Ukraine-Kriegs dämpften den Erholungsprozess, erklärte das IHS.
Das Wifo rechnet für 2022 nun mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,3 Prozent. Im März wurde noch lediglich ein Plus von 3,9 Prozent erwartet. Gegenüber dem Vorjahr zeigt sich damit ein Rückgang. 2021 war die Wirtschaft noch um 4,8 Prozent gewachsen. Die Erhöhung der Prognose liegt aber vor allem an einer Revision der Daten für 2021, des Vergleichswertes des Vorjahres, erklärte das Institut. Die Erwartung für 2023 wurde jedoch auf 1,6 (2,0) Prozent gekürzt. Das IHS rechnet im laufenden Jahr jetzt mit 3,8 (3,6) Prozent und 2023 von 1,4 (2,3) Prozent.
Zudem erwarten die Institute, dass der kräftige Preisauftrieb anhält. Das IHS hat seine Inflationsprognose für 2022 auf 7,4 (5,5) Prozent und für 2023 auf 4,7 (2,3) Prozent angehoben. Ausgehend von den Energiepreisen greife der Preisdruck auf Nahrungsmittel und Industriewaren über, hieß es. Eine länger andauernde Hochinflationsphase würde die Kaufkraft der Haushalte schwächen und könnte eine Lohn-Preis-Spirale auslösen, so das IHS. Das Wifo rechnet im laufenden Jahr mit einer Inflation von 7,8 (5,8) Prozent und 2023 mit 5,3 (3,2) Prozent.
GASLIEFERSTOPP WÜRDE ZU TIEFER REZESSION FÜHREN
Die Konjunktur könnte aber wesentlich schlechter laufen, sollte es erneut zu einem Corona-bedingten Lockdown kommen oder zu einem Lieferstopp von russischem Gas. Das würde die Industrie schwer treffen und zu einer tiefen Rezession führen, erklärte das IHS. "Die hohen Preise sind eingerechnet, aber wenn tatsächlich in der Industrie die Produktion stoppt, dann hat das Corona-artige Auswirkungen", sagte IHS-Chef Klaus Neusser. Dann würden ganze Branche wegfallen und die Industrie hätte mit zweistelligen Einbrüchen in der Wertschöpfung zu rechnen. Das IHS rechnet damit, dass bei einem Gaslieferstopp das BIP um mehr als drei Prozent einbrechen würde, die Beschäftigung um vier Prozent zurückgehe und die Arbeitslosigkeit massiv steige. Im schlimmsten Fall sieht das IHS in seiner Modellrechnung sogar einen BIP-Rückgang von sechs Prozent.
Die Entwicklung hänge davon ab, inwieweit die Firmen Gas substituieren können und wie voll die Ergas-Speicher im Land sind. "Unsere Speicher umfassen ungefähr einen Jahresverbrauch an Gas, das hilft", sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. "Da haben wir im Vergleich zu Deutschland eine bessere Ausgangslage". Jeden Tag, an dem die Speicher weiter befüllt werden könnten, sinke die Gefahr eines Produktionsstopps. Wenn die Gasliefermengen - so wie derzeit über die Pipeline Nord Stream 1 - reduziert bleiben würden, "kommen wir durch den Winter", sagte der Volkswirt. Allerdings wären im Frühjahr die Speicher leer und spätestens dann müsste eine alternative Beschaffungsmethode funktionieren.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)