Drei Fragen an Bernecker - Was bringt das zweite Halbjahr und wie sollten Anleger agieren?

Wie gewohnt stellen wir auch am heutigen Freitag drei Fragen an den langjährigen Börsenexperten Hans A. Bernecker. Wir wollten wissen, was das zweite Halbjahr bringt und die Anleger schon auf Schnäppchenjagd gehen können?
onvista: Herr Bernecker, der Dax ist unter sein März-Tief gefallen. Müssen wir jetzt über die Marke von 12.000 Punkten reden?
Hans A. Bernecker: Der DAX hat hauchdünn den zweiten Tiefstkurs des Jahres absolviert und bestätigt. Der VDAX lieferte mit einem Stand um 30 den Beleg der Nervosität, die ab der kommenden Woche mit Beginn der Berichtssaison schrittweise bestätigt oder deutlich reduziert wird. Dafür spricht die überverkaufte Marktlage.
Der weiteren Stabilisierung fehlt noch das Momentum. Dies hängt davon ab, wie sich der Nachrichtenstand in der Ukraine zum einen und im Gaspoker zum anderen zuspitzt oder entschärft wird. Nur eine Sensation kann dies stören, nämlich ein totales Abschalten der Gasleitung. Würde dies passieren, ergäbe sich ein DAX-Einbruch für 1, 2 Tage bis um max. 10 % und der Idealfall für alle Schnäppchenjäger. Dafür gilt der Rest der bekannten Barreserve.
onvista: Viele Werte sind jetzt schon ein gutes Stück zu tief gefallen. Wie geht man in einer solchen Marktphase damit um?
Hans A. Bernecker: Der Einbruch des gesamten DAX ab 22.02. war ein Schockerlebnis ohne fundamentale Gründe. 20 % Kursverlust im DAX führten zu Verlusten zwischen 38 bis 46 % für rund die Hälfte aller DAX-Aktien. Der Rest liegt etwas unter dem diesem Verlust. Für M- und SDAX gilt das Gleiche. Aus dieser Situation heraus entsteht im zweiten Halbjahr ein Erholungspotenzial bis 40 %. Nicht für die Indizes, sondern für die größten Verlierer, wie zitiert. Auch 100 % sind möglich, vom jeweiligen Tiefstkurs aus gerechnet. Das machte die Erholung 2020/21 schon vor. Ob aus dieser Erholung ein langer Trend entsteht, ist noch nicht entschieden.
onvista: Wie wird das zweite Halbjahr ihrer Meinung nach laufen?
Hans A. Bernecker: Die zitierte Markterholung hat eine Breitenwirkung. Gut 80 % aller abgestürzten Titel stehen vor dem gleichen Potenzial - was sie zunächst verloren haben und dass sie nun wieder in den Normalzustand zurückfinden. Die eine oder andere Aussortierung beginnt in der kommenden Woche mit der zitierten Berichtssaison. Denn die monetären Risiken sind eingepreist. Die ökonomischen Risiken sind differenzierter, beginnen sich jedoch ebenfalls schrittweise aufzulösen, wie der Berichtsstand in Sachen Lieferketten im Chinageschäft zeigt.