3 Fragen an Bernecker: Gas-Problematik, EZB und Dax - wie geht es weiter?

Hans A. Bernecker beschäftigt sich seit über 50 Jahren mit den internationalen Börsen und wir freuen uns jeden Freitag darauf, seine Meinung zu unseren Fragen zu lesen. Heute wollten wir von dem langjährigen Börsenexperten wissen, was passiert, wenn Putin den Gashahn plötzlich doch zudreht, was er vom EZB-Entscheid hält und ob der Dax sich zu gut schlägt.
onvista: Herr Bernecker, wie groß ist das Abwärtspotenzial im Dax, falls Putin die Gaslieferungen doch noch komplett stoppen sollte?
Hans A. Bernecker: Stand heute ist, dass Putin Gas liefert, wenn auch die Quote von Tag zu Tag wechseln kann. Damit ist der Blackout vermieden und der Gaspoker offiziell eröffnet: Wie Du mir, so ich Dir. Also: Gas gegen Sanktionen dürfte wohl das nächste Ringelspiel sein. Im Umfang und in der Zeit offen. Wie damit die Westpolitiker umgehen, wird spannend. Ergebnis: Das Abwärtspotenzial des DAX hatte ich bereits begrenzt und bleibe dabei. Wie weit das Erholungspotenzial reicht, wird sich nicht nur am Gas ablesen lassen, sondern an den gesamten Themen Zinsen, Inflation und am Ende Rezession. Dafür gilt: Look on the market!
onvista: Die EZB erhöht die Leitzinsen - besser spät als nie?
Hans A. Bernecker: Die EZB erhöht die Zinsen. Die Bedeutung ist begrenzt. Bezogen auf Deutschland: Die Renditen aller Anleihen ziehen schrittweise an. Emissionsrenditen erreichten bereits 2,10 %. Immobilienkredite liegen bei knapp über 3 % als Schnitt. Darauf hat die EZB keinen Einfluss. Sollte Draghi doch nicht weiter Ministerpräsident bleiben, steigen die Italien-Zinsen allesamt in die Größenordnung von rd. 5 %. Also: Auch hier gilt: Look on the market, denn die EZB verfügt nicht mehr über das Potenzial, den Markt nachhaltig zu steuern.
Nach 14 Jahren sinnloser Geldschwemme und manipulierter Renditen werden alle europäischen Märkte schrittweise ihr eigenes Niveau finden müssen.
Dax wieder über 13.000 Punkten – kommt die Erholung viel zu früh?
Hans A. Bernecker: Alle warten auf die Kapitulation. Insbesondere alle großen Anleger wie Fonds, Vermögensverwalter etc. Die Umfrage der Bank of Amerika unter 300 Fondsmanager, die rd. 800 Mrd. $ verwalten, ergab soeben die schlechtesten Zieldaten, die seit Erhebung dieser Daten bekannt sind. Sie arbeiten mit der höchsten Liquiditätsquote von 6,1 %. Mehr gab es noch nie. In einer solchen Situation gibt es die Erfahrung aller älteren Profis: Das Gegenteil trifft ein! Das allein lässt sich im Moment nur aus der Markttechnik des DAX und der drei großen Wall Street Indizes vorsichtig ermitteln. Ich spiele den Kontraindikator!