Kutzers Zwischenruf: Anleger sollten auch von 2023 nicht viel erwarten

Hermann Kutzer · Uhr
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Gewarnt wird an allen Ecken. Und so wird kein Anleger im nächsten Jahr erschrocken behaupten können, er sei von anhaltend hoher Inflation und tiefer Rezession überrascht worden. Was sich dazu inzwischen abzeichnet, ist die anhaltende Dominanz der Geldpolitik. Und: Es fehlt an Anlageklassen, die sich dem Privatanleger förmlich aufdrängen. Kein Wunder deshalb, dass die aktuellen Marktberichte und -Prognosen (nach den jüngsten Notenbankschritten) ein wenig erhellende Mischung darstellen.

Aber das muss wohl so sein, denn der Anteil der weltweiten Zentralbanken, die derzeit ihre jeweiligen Zinssätze anheben, hat mit 80 Prozent ein Rekordhoch erreicht. Durch diese hohen Zinssätze, verstärkt durch die anhaltenden Rezessionsängste fielen die globalen Aktienmärkte in der letzten Woche, während die Ölpreise den niedrigsten Stand seit Januar erreichten.

Wichtig: Die Korrelation von Aktienmärkten und Rentenmärkten bleibt positiv. Soll heißen, fallende Zinsen und steigende Staatsanleihekurse sind auch positiv für die Aktienmärkte und umgekehrt. Damit kämpfen die Investoren in diesem Jahr, weil beide Marktsegmente negative Ergebnisse liefern und keine Diversifikationseffekte erzielt werden konnten.

Die Worte von Fed-Chef Powell werden daher weiter auf die Goldwaage gelegt, wie man aktuell beobachten kann. Investoren wäre es am liebsten Powells restriktive Maßnahmen würden schnell Wirkung zeigen, damit der Spuk im kommenden Jahr vorbei ist. Aber so einfach wird es nicht sein. Eine Rückkehr zur gewohnten guten alten Geldpolitik mit niedrigen Zinsen wird es nicht so schnell geben. Einige Inflationstreiber könnten sich als hartnäckig erweisen.

Im Interim Economic Outlook rechnet die OECD für dieses Jahr mit einem bescheidenen Wachstum des globalen BIP von 3 Prozent und für 2023 mit einer weiteren Wachstumsverlangsamung auf nur noch 2,2 Prozent. Damit ist das Wachstumstempo deutlich geringer als vor dem Krieg erwartet und die globale Wirtschaftsleistung fällt 2023 um rd. 2,8 Billionen US-Dollar niedriger aus als ursprünglich angenommen.

Der Krieg hat die Energiepreise, insbesondere in Europa, weiter in die Höhe getrieben. Dadurch hat sich der Inflationsdruck in einer Zeit erhöht, in der die Lebenshaltungskosten weltweit wegen der Nachwirkungen der Corona-Pandemie ohnehin schon stark gestiegen sind. In vielen Volkswirtschaften geben die Unternehmen ihre höheren Energie-, Transport- und Personalkosten an die Kunden weiter. Die Inflation erreicht mittlerweile Niveaus, wie wir sie seit den 1980er Jahren nicht mehr erlebt haben. Dies zwingt die Zentralbanken, die geldpolitischen Zügel schneller anzuziehen als erwartet.

Die wirtschaftlichen Aussichten sind mit erheblicher Ungewissheit und bedeutenden Abwärtsrisiken behaftet. Dazu zählen die Gefahr weiterer Nahrungsmittel- und Energiepreissteigerungen, die viele Menschen in die Armut treiben könnten. Auch mögliche Engpässe bei der Gasversorgung in den nahenden Wintermonaten auf der Nordhalbkugel gehören dazu. Es wird entscheidend sein, den Energieverbrauch zu senken und die Bezugsquellen zu diversifizieren. Engpässe würden die globalen Energiepreise in die Höhe treiben, das Vertrauen beeinträchtigen und wahrscheinlich das finanzielle Umfeld verschlechtern. Zudem könnten sie Maßnahmen erforderlich machen, um Unternehmen zur vorübergehenden Verringerung ihres Gasverbrauchs zu zwingen.

Insgesamt könnten diese Schocks das Wachstum der europäischen Volkswirtschaften 2023 im Vergleich zum Basisszenario um mehr als 1¼ Prozentpunkte drücken und die Inflation um mehr als 1½ Prozentpunkte erhöhen. Damit würde vielen Ländern für das Gesamtjahr 2023 eine Rezession drohen, die teilweise ja schon eingesetzt hat! Auch 2024 würde das BIP-Wachstum noch geschwächt. Weitere bedeutende Risiken gehen von den anhaltenden Korrekturen an den chinesischen Immobilienmärkten aus. Diese könnten zusammen mit der hohen Unternehmensverschuldung in China und einer Fortführung der Null-Covid-Politik einen gravierenderen Wachstumseinbruch in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt auslösen als in den Projektionen unterstellt.

Vor diesem Hintergrund ist es weder innovativ noch originell, wenn ich an meinem alten Rat festhalte, sein Portfolio schwerpunktmäßig aus US-Qualitätsaktien, chinesischen Wachstumswerten und physischem Gold zu komponieren. Dazu sind langfristige Sparpläne angesagt.

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