Drei Fragen an Bernecker

onvista · Uhr
Quelle: Bernecker

1)  Hat die ultra-expansive Geldpolitik der globalen Notenbanken in den vergangenen zehn Jahren das sogenannte „wealth gap“ zwischen arm und reich vergrößert?

Über diese Differenz stritten schon die alten Griechen. Der berühmteste Grieche namens Solon bemühte sich rund 600 Jahre vor Christi erstmals im Auftrage des Rates der 400 bei der Versammlung auf der Agora in Athen um eine Reform, das Ungleichgewicht zwischen reich und arm zu überwinden. Das Land der Großgrundbesitzer wurde aufgeteilt und an die kleinen Bauern verteilt. Gut 100 Jahre später war das Ergebnis nicht so erbaulich. Die Kleinen schafften es nicht, von ihrem Land selbst zu leben und die Nachbarn zu ernähren.

Lenin und seine Epigonen probierten mit seiner neuen „Ökonomischen Politik“ Ähnliches, indem er zunächst die Kulaken enteignete und das Land an die Bauern verteilte. Anschließend wurde aus den Kolchosen (zusammengefasste Agrarbetriebe) wieder eine Aufteilung vorgenommen, mit dem gleichen Ergebnis: Die Rentabilität der Kleinbetriebe lohnte sich nicht. Nach 5 Jahren hatte sich dieses Thema ebenfalls erledigt. Der französische Ökonom Thomas Piketty legte 2014 ein umfangreiches Buch mit dem Titel „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ vor. Auch er beschäftigt sich mit der Frage zwischen arm und reich. Eine Reihe weiterer Beispiele wären anzufügen. Ergebnis: Die Diskussionen über arm und reich sind so alt wie die Geschichte der zivilisierten Menschheit.

Mit dem einzigen Beleg: In einer Demokratie nimmt das Vermögen von arm und reich in Prozent gerechnet parallel zu; die Differenzen sind gering. Schwierig wird die Psychologie: 10 % Zuwachs auf ein Vermögen von 10.000 Euro sind nur bescheidene 1.000 Euro. 10 % auf ein Vermögen von 100 Mio. Euro ergeben 10. Mio. Euro. In der Differenz liegt der Unterschied, was richtig und was falsch sein könnte und dann beginnt der soziale Neid. Er ist unlösbar. Mit der Politik von Fed und EZB hat dies alles nichts zu tun.

2)  Was ist für Sie aktuell die größte „Blase“ am Kapitalmarkt?

Die größte Blase wurde in den letzten zwei Jahren beseitigt. Es war die bislang größte, die es an den Börsen gab. Mit rund 16 Bio. Dollar Zentralbankgeld von Fed und EZB wurde sie geschaffen. Die fünf größten Techkonzerne bildeten den Schwerpunkt. Auf rd. 6 bis 7 Bio. Dollar stellte sich diese Blase in der Summe. Davon sind bis jetzt ungefähr 5 bis 5,5 Bio. Dollar verschwunden oder aufgelöst und der Rest ist offen. Der Paradefall dafür war Tesla. Aus 0 Dollar wurden 1,3 Bio. Dollar und aktuell sind es 341 Mrd. Dollar.

Damit hat sich das Thema Blase erledigt. Der Aufbau der nächsten Blase ist allerdings gewiss. Die Namen sind noch nicht bekannt oder noch nicht griffig genug. Aufgrund dieser falschen Politik entstand jedoch erstmals die Einsicht, dass mit dem Gelddrucken keine nachhaltigen Werte geschaffen werden, sondern eben nur Blasen mit viel Luft.

3)  Welche Asset-Klasse wird in 2023 am besten performen und warum?

Mit den veränderten monetären Verhältnissen ändern sich die Kriterien der Bewertung von Vermögen. Mit steigenden Zinsen nehmen die Anleihevermögen automatisch ab. Gewinner sind erneut alle Aktien, hinter denen erkennbare Werte stehen und solide Kerngeschäfte mit zuverlässiger Einschätzung ihres Ertragspotenzials. Trends dieser Art bauen sich schrittweise auf, weil der Rückenwind des Geldes fehlt. Für jedes Land gelten andere Maßstäbe. Deutschland als Auto- und Maschinenbauland ist anders zu beurteilen als Frankreich mit dem Schwergewicht von Mode und Luxus, um nur ein Beispiel zu nennen.

Die Amerikaner glänzen mit hoher Technik und entsprechenden Produkten. Auf diese Weise gewinnt jedes Land eine eigene Dynamik in bestimmten Sektoren, die sich nun nach der Landung aller Märkte nach Corona und Ukraine-Desaster auf einen neuen Zyklus vorbereiten.

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