Social-Media-Aufpasser nach öffentlicher Kritik beurlaubt

Reuters · Uhr
Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2023. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

London/Frankfurt (Reuters) - Wenige Tage nachdem ein Mitarbeiter die Arbeitsbedingungen von Content Moderatoren öffentlich kritisiert hat, ist er von seinem Arbeitgeber beurlaubt worden.

Cengiz Haksöz dürfe seiner Beschäftigung bei der Firma Telus bis zum Abschluss interner Untersuchungen nicht mehr nachkommen, teilte die Gewerkschaft Ver.di am Donnerstag mit. Sein Gehalt werde aber weitergezahlt. Telus bestätigte die Suspendierung. Haksöz habe seinen Arbeitsvertrag missachtet.

Haksöz hatte vergangene Woche im Digitalausschuss des Bundestages eine Petition vorgestellt, in der 300 Unterzeichner ihre Arbeitsbedingungen als "ausbeuterisch" anprangern. Ver.di-Vorstand Christoph Schmitz kritisierte die Disziplinarmaßnahmen gegen Haksöz. "Das Vorgehen von Telus ist nicht nur rechtswidrig, sondern zeigt auch eine Missachtung der Demokratie." Schließlich habe Haksöz auf Einladung des Bundestages über die Arbeitsbedingungen in der Branche berichtet. Daher plane die Gewerkschaft rechtliche Schritte gegen Telus.

"Content Moderatoren" sind dafür zuständig, gefährliche Inhalte von Internetnutzern fernzuhalten. Hierzu gehören Kinderpornografie oder Darstellungen extremer Gewalt, die gesichtet und gelöscht werden müssen. Weltweit sind für Konzerne wie den Facebook-Betreiber Meta oder die TikTok-Mutter Bytedance Tausende dieser "menschlichen Filter" im Einsatz, die meist bei externen Dienstleistern wie Telus beschäftigt sind.

Die Verfasser der Petition kritisierten außerdem, dass den Beschäftigten keine angemessene psychologische Betreuung angeboten werden. Dabei seien Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen an der Tagesordnung und Selbstmorde keine Seltenheit. Telus zufolge spiegeln Haksöz' Schilderungen des Arbeitsalltags nicht die Realität in der Branche wider. Außerdem gebe es keine Aufzeichnungen, dass er Angebote der Firma zur psychischen Gesundheit angenommen oder sich intern über die Arbeitsbedingungen beschwert habe.

(Bericht von Martin Coulter und Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Meistgelesene Artikel