Tarifstreit im Einzelhandel - HDE empfiehlt mehr Gehalt ohne Abschluss

Berlin (Reuters) - Im schleppenden Tarifkonflikt für die rund fünf Millionen Beschäftigten im deutschen Einzelhandel wollen die Arbeitgeber Fakten schaffen.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) warf der Gewerkschaft Verdi Blockadehaltung vor und erklärte am Montag, er empfehle tarifgebundenen Unternehmen auch ohne Tarifabschluss nun eine freiwillige Entgelterhöhung um 5,3 Prozent. "Leider verschließt sich die Gewerkschaft Verdi auch nach mehr als fünf Monaten mit über 50 Verhandlungsrunden bundesweit der mittlerweile längst überfälligen Befriedung dieses Tarifkonfliktes zum Wohle der Beschäftigten im Einzelhandel", sagte HDE-Tarifgeschäftsführer Steven Haarke. Stattdessen halte die Gewerkschaft an ihren "utopischen Eingangsforderungen" fest. Ein rascher Tarifabschluss sei nicht absehbar.
Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke kritisierte, nicht die Gewerkschaft blockiere die Tarifverhandlungen seit Monaten, sondern der HDE. "Ein Arbeitgeberangebot von 5,3 Prozent Lohnerhöhung in 2023 bei anhaltender Inflation und steigenden Preisen ist ein Schlag ins Gesicht für die Beschäftigten im Handel." Das seien für eine Verkäuferin 92 Cent pro Stunde - "und das bedeutet Reallohnverlust." Die Beschäftigten bezögen ohnehin schon sehr niedrige Löhne, und die Inflation der vergangenen Monate "frisst die Löhne zusätzlich". Die berechtigten Erwartungen der Beschäftigten gingen deutlich über das Niveau des HDE-Angebotes hinaus. Die Streiks und die Solidarität zeigten Wirkung, sagte Werneke. Man habe eine klare Botschaft: "Weihnachten steht vor der Tür. Verdi und die Beschäftigten auch."
VERDI FORDERT PRO STUNDE 2,50 EURO MEHR LOHN UND GEHALT
Nach einem Beschluss des tarifpolitischen Ausschusses des HDE können nun tarifgebundene Unternehmen frühestens ab 1. Oktober 2023 freiwillige sogenannte anrechenbare Vorweganhebungen von 5,3 Prozent zahlen - für tarifliche Löhne, Gehälter und Auszubildendenvergütungen. Dies kann demnach in allen Tarifgebieten des Einzelhandels umgesetzt werden. Für die Firmen gebe es keine Verpflichtung, diese Empfehlung exakt und in voller Höhe umzusetzen, betonte HDE-Experte Haarke. "Sie ist nur bezüglich Ihrer Obergrenze verpflichtend." Die Betriebe würden abhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage entscheiden, ob sie dies umsetzten. Der HDE strebe weiter eine baldige Lösung des Tarifkonflikts an.
Die Verhandlungen werden nicht zentral, sondern regional geführt. Die jeweiligen Forderungen liegen allerdings dicht beieinander. In Baden-Württemberg fordert Verdi 15 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. In vielen Bundesländern - wie Bayern, Berlin oder Nordrhein-Westfalen - sollen die Beschäftigten im Einzelhandel pro Stunde 2,50 Euro mehr Lohn und Gehalt bekommen. "Wir wollen, dass die Beschäftigten im Handel von ihrer Hände Arbeit leben können und kämpfen weiter gegen Reallohnverluste", sagte Verdi-Chef Werneke.
(Bericht von Klaus Lauer, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)