Inflation im Euroraum rauscht in den Keller - Nur noch 2,4 Prozent

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- von Frank Siebelt und Rene Wagner

Frankfurt (Reuters) - Die Inflation im Euroraum setzt aufgrund der Konjunkturschwäche und des Zinserhöhungsstakkatos der EZB ihren Sinkflug stärker als erwartet fort.

Im November legten die Verbraucherpreise nur noch um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie das Statistikamt Eurostat am Donnerstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist seit Juli 2021 die niedrigste Inflationsrate. Im Oktober waren die Verbraucherpreise noch um 2,9 Prozent gestiegen. Volkswirte hatten zudem mit einer höheren Rate von 2,7 Prozent gerechnet. Für die Europäische Zentralbank (EZB) rückt damit ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent immer mehr in Reichweite.

Volkswirte rechnen damit, dass der Preisschub weiter abebben wird. "Es ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate zur Jahresmitte 2024 auf oder zumindest in der Nähe des EZB-Ziels von zwei Prozent liegen wird – auch im Bereich der Kernteuerung", meint der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Damit eröffnet sich für die EZB erheblicher Zinssenkungsspielraum." Etwas vorsichtiger äußerte sich Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Dass die Inflation so deutlich nach unten überrascht hat, liegt vor allem an der rückläufigen Teuerungsrate bei Dienstleistungen", merkte er an. Aber dieser Abwärtstrend werde sich auf Dauer nicht fortsetzen, weil sich der Lohnanstieg im Euroraum massiv beschleunigt habe. "Es ist verfrüht, einen Sieg über die Inflation zu verkünden."

Aus Sicht von LBBW-Ökonom Elmar Völker geht es auch bei der Kernrate schneller voran mit der Entspannung, als es noch im Sommer absehbar gewesen sei. "Für die EZB impliziert dies, dass weitere Zinsanhebungen wohl definitiv vom Tisch sein dürften," glaubt der Experte. Die Kerninflation, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben, ging im November auf 3,6 Prozent zurück nach 4,2 Prozent im Oktober. Die EZB verfolgt dieses Inflationsmaß genau, denn es gilt als guter Indikator für zugrundeliegende Inflationstrends.

Die Euro-Notenbank hat seit Sommer 2022 im Kampf gegen einen massiven Preisschub die Zinsen zehn mal in Serie angehoben. Vor einem Jahr hatte die Teuerung zeitweise sogar bei über zehn Prozent gelegen. Auf ihrer jüngsten Sitzung ím Oktober beschlossen die Währungshüter allerdings aufgrund von Rezessionssorgen und des bereits kräftig abnehmenden Preisdrucks, ihren Zinserhöhungskurs vorerst zu stoppen. Und für die letzte Zinssitzung in diesem Jahr am 14. Dezember erwarten Experten, dass sie erneut die Füße still halten werden. Der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt inzwischen bei 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Start der Währungsunion 1999.

SPEKULATIONEN AUF ERSTE ZINSSENKUNG IM APRIL 2024

Am Finanzmarkt wird bereits mit einer ersten Zinssenkung im zweiten Quartal 2024 gerechnet. Aus den Kursen für Terminkontrakte lässt sich ablesen, dass Investoren darauf setzen, dass die EZB im April den Einlagensatz um 0,25 Prozentpunkte auf dann 3,75 Prozent herabsetzen wird. Schon nach dem starken Inflationsrückgang im Oktober hatten Anleger die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schritts auf über 70 Prozent eingestuft. Inzwischen ist eine erste Zinssenkung im April fest in den Kursen enthalten.

Zu dem deutlichen Inflationsrückgang im November trugen erneut die Energiepreise maßgeblich bei. Sie sanken gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich um 11,5 Prozent. Im Oktober hatte der Rückgang bei 11,2 Prozent gelegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak nahmen dagegen im November um 6,9 Prozent zu nach einem kräftigeren Anstieg von 7,4 Prozent im Oktober. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 2,9 Prozent nach zuvor 3,5 Prozent. Auch der Preisschub bei Dienstleistungen schwächte sich ab: Sie verteuerten sich im November um 4,0 Prozent nach 4,6 Prozent im Oktober.

(Mitarbeit Klaus Lauer; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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