"Genug ist genug" - China Evergrande wird abgewickelt

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- von Clare Jim und Xie Yu

Hongkong (Reuters) - Der verschuldete Immobilienentwickler China Evergrande soll abgewickelt werden. Das hat ein Gericht in Hongkong am Montag angeordnet und damit ein mehr als zwei Jahre währendes Tauziehen um das mit über 300 Milliarden Dollar verschuldete Unternehmen beendet.

"Genug ist genug", sagte Richterin Linda Chan. Das Immobilienunternehmen habe es nicht geschafft, einen konkreten Restrukturierungsplan vorzulegen. Die Sanierungsexperten von Alvarez & Marsal sollen das Unternehmen nun liquidieren. Doch inwieweit und wann sie überhaupt Zugriff auf das Geschäft von Evergrande im chinesischen Kernland bekommen, ist ungewiss. "Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang eines langwierigen Prozesses, der das Tagesgeschäft von Evergrande noch erschwert", sagte Volkswirt Gary Ng von der französischen Investmentbank Natixis.

China-Evergrande-Chef Siu Shawn sagte chinesischen Medien, das Unternehmen werde seine Wohnungsbau-Projekte trotz der Abwicklungsanordnung fertigstellen. Das operative Geschäft in China und außerhalb sei davon nicht berührt. Richterin Chan erklärte, die Berufung eines Abwicklers sei im Interesse aller Gläubiger. Denn dieser könne die Verantwortung für einen neuen Sanierungsplan übernehmen. Gegen Evergrande-Gründer Hui Ka Yan wird seit September ermittelt. "Unser Ziel ist es, so viel Geschäft wie möglich zu erhalten (...) und Wert für die Gläubiger zu sichern", sagte Tiffany Wong von Alvarez & Marsal.

"LANGFRISTIG GUT FÜR DIE KONJUNKTUR"

Evergrande war vor gut zwei Jahren mit der Bedienung seiner Auslandsschulden von 23 Milliarden Dollar in Verzug geraten und damit zum Symbol der Schuldenkrise in Chinas Immobiliensektor geworden. Die Entscheidung, den Konzern mit Vermögenswerten von umgerechnet 240 Milliarden Dollar zu liquidieren, dürfte die angeschlagenen chinesischen Kapital- und Immobilienmärkte weiter erschüttern. "Die Liquidierung von Evergrande ist ein Zeichen, dass China bis zum Äußersten geht, um die Immobilienblase in den Griff zu bekommen. Das ist langfristig gut für die Konjunktur, kurzfristig aber sehr schwierig", sagte Andrew Collier von Orient Capital Research in Hongkong.

Fern Wang von KT Capital sagte, die Anlegerstimmung dürfte davon kurzfristig kaum erschüttert werden, weil die Entscheidung lange vorbereitet und deshalb erwartet worden sei. Die Börse in Shanghai bröckelte am Montag um knapp ein Prozent ab. Der Index der wichtigsten Firmen in Shanghai und Shenzhen verlor im gleichen Ausmaß. Evergrande-Aktien wurden vor dem Gerichtstermin mit einem Minus von 20 Prozent gehandelt. Danach wurde der Handel eingestellt, ebenso wie mit Aktien der Töchter New Energy Vehicle Group und Evergrande Property Services.

"DAS UNTERNEHMEN IST SELBST SCHULD"

Die Evergrande-Führung hatte das Verfahren in Hongkong immer wieder verschleppt, ehe Chan die Geduld verlor. Das Unternehmen habe sich nie mit dem Gläubigerausschuss auseinandergesetzt, der die Zeichner der Auslandsanleihen vertrat, sagte Fergus Saurin von der Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis, der die Gruppe berät. "Immer wieder haben sie sich erst in letzter Minute engagiert, doch das hat zu nichts geführt. Das Unternehmen ist selbst schuld, dass es jetzt abgewickelt wird." Auch am Montag hatte der Anwalt von Evergrande eine erneute Vertagung beantragt. Man habe "einige Fortschritte" mit dem Sanierungsplan gemacht. Eine Abwicklung könnte das Geschäft stören, was wiederum dazu führe, dass Evergrande seine Verbindlichkeiten schwerer zurückzahlen könne. Die Gläubiger können nach einer Deloitte-Studie bei einer Abwicklung nur mit einer Rückzahlung ihrer Forderungen von drei Prozent oder weniger rechnen.

Doch es könnte Monate oder Jahre dauern, bis der Abwickler das Geschäft in China selbst unter seine Kontrolle bekommt. Dort gelten andere juristische Voraussetzungen als in Hongkong, und Entscheidungen aus der Sonderverwaltungszone werden nur in drei Städten anerkannt, nicht aber am Firmensitz von Evergrande in Guangzhou. Investoren dürften besonders darauf achten, wie die chinesischen Behörden ausländische Gläubiger bei einer Abwicklung behandeln.

(Geschrieben von Christian Götz und Alexander Hübner; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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