Regierung einigt sich auf Förderstrategie für Kraftwerke

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- von Markus Wacket

Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung hat sich nach langem Ringen auf einen Kompromiss beim Bau neuer Kraftwerke verständigt.

Insgesamt sollen neue Erdgas-Kraftwerke mit zunächst zehn Gigawatt Leistung errichtet und mit Milliarden-Summen unterstützt werden, wie Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium am Montag mitteilten. Das entspricht etwa 20 Kraftwerken. 2032 soll festgelegt werden, wann ab 2035 die Anlagen vollständig auf Wasserstoff umgestellt werden. Damit ist absehbar, dass ein vor allem von den Grünen bis 2035 angepeilter CO2-freier Energiesektor kaum zu erreichen sein dürfte. Während die Regierung sich nicht zu Kosten äußern wollte, hieß es in Koalitionskreisen, es würden mit um die 16 Milliarden Euro für bis zu 20 Jahre gerechnet. Grüne und SPD kündigten im Bundestag Widerstand gegen einen Teil der Strategie an.

Im Kern geht es bei der geplanten Strategie um den Bau von Gaskraftwerken, die die wachsende, aber schwankende Einspeisung von Wind- und Solarstrom ausgleichen sollen. Zug um Zug sollen die Anlagen auf klimafreundlichen Wasserstoff umgestellt werden, der aber für lange Zeit deutlich teurer als Erdgas sein dürfte. An der Strategie hängt auch, ob Deutschland wie vor allem von den Grünen gefordert bis 2030 das letzte Kohlekraftwerk abschalten kann.

Energiebranche und Wirtschaft reagierten erleichtert, dass endlich eine erste Einigung vorliege. "Dies ist ein entscheidender Baustein für einen erfolgreichen Weg in Richtung Klimaneutralität bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungs- und Systemsicherheit", sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energiewirtschaft (BDEW). Nun müsse dringend Klarheit für die Investoren geschaffen werden, etwa bei Finanzierungsfragen und Standorten. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von einem überfälligen Schritt: "Für den von der Koalition bis 2030 angepeilten Kohleausstieg kommt der Beschluss reichlich spät", sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Strategie scharf: Der Schwerpunkt liege auf dem Neubau fossiler Kraftwerke. Die Umrüstung sei unklar, die Anlagen müssten nicht einmal mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff betrieben werden. Es sei ein Konjunkturprogramm für die Erdgas-Lobby.

Doch nicht nur bei Umweltverbänden, sondern auch bei Grünen und SPD formiert sich Widerstand: Dabei geht es um die in der federführend von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) entwickelten Strategie genannte Möglichkeit, dass Gaskraftwerke das freigewordene Klimagas CO2 auch abscheiden und unterirdisch speichern (CCS-Technik) dürfen. "CCS macht die Energieerzeugung teurer und ineffizienter", sagte Grünen-Klimaexpertin Lisa Badum zu Reuters. "Deswegen haben wir als Fraktion erst im Dezember beschlossen, dass die Energiewirtschaft kein Anwendungsgebiet für CCS ist." In diesem Sinne werde sie sich im Bundestag einsetzen. Auch von SPD-Energieexpertin Nina Scheer kam ein klares Nein zu CCS. Gaskraftwerke dürften nur eine Brücke zu erneuerbaren Energien sein: "Ihr Rahmen muss somit jedwede verlängerte Nutzung fossiler Ressourcen und damit auch die Anwendung von CCS-Technologie ausschließen", sagte sie Reuters.

PAPIER TRÄGT AN MEHREREN STELLEN LINDNERS HANDSCHRIFT

Finanzminister Christian Lindner und die FDP konnten sich auch bei anderen Fragen durchsetzen: So wurde vereinbart, dass bis 2028 ein sogenannter Kapazitätsmechanismus greifen soll. Dabei wird nicht nach Kilowattstunde abgerechnet, sondern auch eine bereitgestellte Leistung vergütet, selbst wenn sie nicht gebraucht wird. "Eine politische Einigung darüber soll innerhalb der Bundesregierung bis spätestens Sommer 2024 erzielt werden", teilte die Regierung mit. Auch die Fraktionen im Bundestag sollen in die Debatte um das Strommarktdesign einbezogen werden. Ein solches System muss allerdings von der EU genehmigt werden, was erfahrungsgemäß sehr lange dauert.

Vorgesehen sind Ausschreibungen für die Anlagen: Wer die geringsten Subventionen verlangt, erhält den Zuschlag. Ein Betrieb ohne Förderung gilt als unwirtschaftlich, da die Anlagen über die Jahre voraussichtlich nur wenig laufen werden. Der überwiegende Anteil des Stroms wird aus Wind- und Solarenergie kommen.

Im Papier des Finanzministeriums heißt es, das Ausschreibungsvolumen sei im Vergleich zu ursprünglichen Plänen Habeck klein. "Die nun vorgesehenen Ausgaben für die öffentliche Förderung von neuen Anlagen werden weit unter den ursprünglichen Plänen des Wirtschaftsministeriums bleiben." Im Regierungspapier heißt es zudem, es werde moderne Kraftwerkstechnologie verstärkt in der Forschung gefördert. Dies soll auch die Kernfusion einschließen. Das Wirtschaftsministerium erklärte jedoch, diese Technik spiele in den Überlegungen für eine klimaneutrale Zukunft bis 2045 keine Rolle.

(Mitarbeit: Christian Krämer und Tom Käckenhoff; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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