Neuer Wehrdienst-Entwurf stärkt Parlamentsrecht - Musterung vorgezogen

- von Markus Wacket
Berlin (Reuters) -Die Bundesregierung treibt das geplante Wehrdienstgesetz voran und stärkt die Rechte des Bundestags bei einer möglichen Wehrpflicht. Gegenüber dem bisherigen Gesetzentwurf soll zudem die verpflichtende Musterung jüngerer Männer vorgezogen werden, wie aus dem innerhalb der Regierung geeinten Text hervorgeht, der der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorlag. Kernpunkt ist die Streichung der bisher vorgesehenen Regelung, wonach eine Verordnung zur Pflicht-Einberufung auch ohne aktive Zustimmung des Parlaments in Kraft treten konnte. Auf Drängen von SPD-Seite wurde ein Passus aus dem neuen Entwurf gestrichen, nachdem die Pflicht automatisch in Kraft getreten wäre, wenn der Bundestag sich über drei Wochen nicht auf einen Beschluss geeinigt hätte. Jetzt ist das Ja des Bundestags in jedem Fall nötig.
Eine weitere Änderung ist die Vorverlegung der verpflichtenden Musterungen: Diese sollen nun bereits ab Juli 2027 beginnen und nicht wie ursprünglich geplant ab Januar 2028. Betroffen sind alle Wehrpflichtigen, die ab 2008 geboren wurden. Die Musterung dient der Feststellung der gesundheitlichen und geistigen Eignung und ist Voraussetzung für eine spätere, eventuelle Einberufung. Ihr geht eine verpflichtende digitale Bereitschaftserklärung voraus, die ab 2026 angefordert wird. Ziel ist es, im Krisenfall schneller auf ein aktuelles Lagebild zur Verfügbarkeit der Jahrgänge zugreifen zu können. Das Gesetz soll von der Regierung Ende August beschlossen werden. Symbolisch wird dafür auch die Kabinettssitzung vom Kanzleramt ins Verteidigungsministerium verlegt.
Deutschland will angesichts der Bedrohung durch Russland und der neuen Nato-Verpflichtungen seine Armee stark ausbauen: Statt bisher gut 180.000 aktive Soldaten sollen es bis Anfang der 30er Jahre 260.000 sein. Vor allem soll auch die Zahl der verfügbaren Reservisten von 100.000 auf 200.000 verdoppelt werden. Dazu soll vor allem der zunächst freiwillige Wehrdienst dienen: Alle 18-Jährigen erhalten einen Brief, in dem sie sich zu ihrer Bereitschaft für einen Wehrdienst äußern müssen. Männer müssen ihn beantworten, Frauen können. In dem Antwortbrief werden bereits Angaben eingefordert, die Teil des Musterungsprozesses sein sollen.
Ab Frühjahr 2026 sollen die ersten solcher Freiwilligen ihren mindestens sechsmonatigen Dienst antreten. Im nächsten Jahr will man insgesamt 20.000 Rekruten finden, 2027 dann 23.000, im Folgejahr 28.000, 2029 dann 33.000 und 2030 38.000. Werden diese Zahlen nicht erreicht und erfordert es die Sicherheitslage, kann die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden. Dafür bedarf es eines Regierungsbeschlusses und dem Entwurf zufolge eines ausdrücklichen Ja des Bundestages.
Die Kosten des freiwilligen Wehrdienstes beziffert der Gesetzentwurf auf vier bis fünf Milliarden Euro in dieser Wahlperiode. Allein für das Verteidigungsministerium rechnet der Entwurf mit Mehrausgaben von 495 Millionen Euro im Jahr 2026, die bis 2029 auf 849 Millionen Euro ansteigen. Hinzu kommen jährliche Kosten von rund 125 Millionen Euro je 10.000 zusätzlicher Soldaten auf Zeit, wie sich die Freiwilligen künftig nennen. Weitere Verbesserungen bei Zuschüssen und Sozialleistungen belaufen sich im Zeitraum von 2026 bis 2029 auf mehr als 1,2 Milliarden Euro. Für die Verwaltung der Musterungen werden ab 2027 jährlich 54,1 Millionen Euro veranschlagt.
(Redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)