Aktionäre sollen Scholz’ Respektrente finanzieren – geht’s noch?

Jessica Schwarzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Mit der deutschen Aktienkultur ist es bekanntlich nicht weit her. Nur jeder Sechste besitzt Aktien oder Aktienfonds. Gefährliche Zockerei, nur etwas für Reiche, hohe Verlustgefahr – Vorurteile wie diese gibt es jede Menge. Auch unter Politikern. Aktien als wichtiger Baustein der Altersvorsorge? Vielleicht auch noch steuerlich gefördert? Bloß nicht. Nur die wenigsten machen sich dafür stark. Dabei sind Aktien langfristig die renditestärkste Anlageklasse und bei entsprechender Risikostreuung sinkt das Risiko mit dem Anlagehorizont. Doch das wollen die wenigsten Deutschen, ob nun Sparer oder Politiker hören. Und nun könnte es sogar zu einem weiteren „Angriff“ auf die Aktie beziehungsweise die Anteilseigner kommen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz will seine umstrittene „Grundrente“ mit der Finanztransaktionssteuer finanzieren. Die Verkehrssteuer auf börsliche und außerbörsliche Umsätze gibt es zwar noch nicht, sie soll aber kommen. Seit Jahren wird in Brüssel darüber diskutiert, eine Einigung gab es bisher nicht. Nach der Finanzkrise sollten spekulative Anlageformen mit einer solchen Steuer belegt werden, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern. Eigentlich sollte es Derivate, Devisen und andere volatile Investment-Vehikel treffen. Nun ist einen Transaktionssteuer nur auf Aktien im Gespräch. Ob das einer neuen Finanzkrise wirklich vorbeugt? Eher nicht. Aber Scholz scheint wild entschlossen. Zur Not wolle er die Steuer im Alleingang einführen, war zu lesen.

Ein völliger Irrsinn! Mal abgesehen davon, dass dieser deutsche Alleingang für den Finanzplatz Deutschland wenig förderlich wäre und internationale Investoren auf andere Handelsplätze ausweichen würden, trifft er all jene, die privat fürs Alter vorsorgen. Und zwar nicht nur mit Aktien, Aktienfonds und entsprechenden börsengehandelten Indexfonds (ETFs). Es trifft auch die Besitzer von Lebensversicherungen, die ja zumindest einen kleinen Teil des Kapitals in Aktien investieren (dürfen). Es trifft Riester-Sparer. Es trifft jeden, der irgendein Produkt besitzt, dass in irgendeiner Form in Aktien investiert – ob nun mit geringem oder größeren Anteil.

Scholz greift nach der Altersvorsorge der Deutschen

Das heißt also: Für die Grundrente greift Scholz nach der Altersvorsorge der Deutschen. Wer privat vorsorgt, zahlt die Zeche für ein höchst umstrittenes Projekt. Kritik an der „Respektrente“ gibt es nämlich reichlich, etwa die fehlende Bedürftigkeitsprüfung. Das an dieser Stelle durchzudiskutieren, ginge aber zu weit. Fakt ist: Die Grundrente über eine Aktiensteuer zu finanzieren geht gar nicht!

Dass langfristiger Vermögensaufbau mit Aktien steuerlich nicht gefördert wird ist ärgerlich, aber wir müssen wohl bis auf weiteres damit leben. Seit Jahren kämpfen Lobbyisten wie das Deutsche Aktieninstitut (DAI) oder der Fondsverband BVI dafür, die Aktienkultur hierzulande zu stärken. In einer Studie hatten das DAI und die Börse Stuttgart vor Kurzem erst gefordert: „Auch für die Politik sollte es eine Priorität werden, die Förderung der Wertpapier- und speziell der Aktienanlage in den Fokus der Gesetzgebung zu rücken.“ Aktien müssten bei Reformen des staatlichen Altersvorsorgesystems dringend stärker Berücksichtigung  finden. Hierin liege der größte Hebel für eine höhere Aktienquote in Deutschland. Diese sei der Schlüssel zu einer besseren Absicherung der Bevölkerung im Alter. Schweden und andere Nationen zeigen, wie das gelingen kann. „Auch dürfen keine weiteren staatlichen Hürden in der Wertpapier- und Anlageberatung aufgebaut werden“, heißt es in der Studie. „Vielmehr ist es an der Zeit, bestehende Hürden abzubauen.“ Ob Scholz sie gelesen hat?

Auch zu seiner Steuer haben sich DAI und Börse Stuttgart ausführlich geäußert. Ihr Fazit: „Steuerliche Maßnahmen, die sich negativ auf die Wertpapieranlage auswirken, sollten tunlichst unterlassen werden. Dies gilt insbesondere für Pläne, eine europaweite Steuer auf Finanztransaktionen einzuführen.“ Gleichermaßen müsse die seit Jahrzehnten bestehende steuerliche Diskriminierung der Aktienanlage gegenüber festverzinslichen Anlagen endlich beseitigt werden. Dem kann ich mich nur anschließen. Der Kapitalmarkt ist ein unverzichtbarer Teil unseres Wirtschaftssystems. Wenn langfristige Aktieninvestments schon nicht gefördert werden, sollten sie nicht auch noch bestraft werden.

Titelfoto: Alexandros Michailidis / Shutterstock.com

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