Den Herdentrieb an der Börse geschickt zum eigenen Vorteil nutzen

Tim Rademacher · Uhr

Seit hunderten von Jahren finden die Kursbewegungen an den Kapitalmärkten oft in bereits bekannten und wiederkehrenden Mustern statt. Natürlich wiederholt sich hierbei die Geschichte niemals exakt in den gleichen Bahnen. Allerdings spielten in der Börsenhistorie schon immer die Faktoren „Angst“ und „Gier“ eine entscheidende Rolle. Auch im Wertpapierhandel, bei dem Menschen Entscheidungen treffen oder Computerprogramme Anwendung finden, die von Menschen programmiert wurden, sind massenpsychologische Aspekte von einer entscheidenden Relevanz.

Bereits im Jahr 1841 verfasste Charles Mackay das bekannte Buch mit dem Titel „Extraordinary Popular Delusions and the Madness of Crowds“, welches sich mit dem Herdenverhalten auseinandersetzte. Beschrieben wurden in dem Werk unter anderem die Tulpenmanie in den Niederlanden aber auch die Südseeblase im Jahr 1720. Den erfolgreichen Tradern sind natürlich die Phänomene der Massenpsychologie mehr als nur bekannt. Vielmehr verstehen Sie es auch,  dieses Wissen erfolgreich in ihre eigene Strategie zu implementieren. Nicht nur Bernard Baruch, welcher zu Beginn und zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine global führende Investorenlegende war, schätzte das Buch von Charles Mackay.

Der Herdentrieb basiert auf sich wiederholenden Prinzipien

Auch in der jüngeren Vergangenheit traten zahlreiche Blasen an den Kapitalmärkten auf. Die Euphorie an der Nasdaq Ende der 1990er-Jahre, die Häuserblase in den USA, welche zum Kollaps von Lehman führte, aber auch der Bitcoin-Hype stellen nur einige gute Beispiele dar. Folglich findet eine Blasenbildung an den Kapitalmärkten oftmals nach den gleichen Mustern statt.

Dies lässt sich besonders gut an der Kursexplosion am Neuen Markt von rund zwanzig Jahren veranschaulichen. In Deutschland spielte das Anlageinstrument Aktie für breite Teile der Bevölkerung in der Nachkriegszeit aber auch nach der Wiedervereinigung kaum eine Rolle. Mit dem Börsenstart der T-Aktie am 18.11.1996 sollte sich die skeptische Haltung vieler Normalsparer gegenüber dem Wertpapiermarkt schlagartig ändern. Eine gut geplante Werbekampagne mit Manfred Krug sowie eine intensive mediale Berichterstattung über den Börsengang der Deutschen Telekom weckten plötzlich das Interesse vieler Kleinanleger.

Nachdem die T-Aktie tatsächlich rasant an Wert zulegte und von der Nasdaq eine positive Stimmung nach Frankfurt rüberschwappte, kannte die Euphorie keine Grenzen mehr. Hiervon wurde der gesamte Neue Markt erfasst. Letztendlich zogen die dramatisch steigenden Kurse immer neue Anlegerschichten an, welche einzig und alleine darauf vertrauten, dass der beeindruckende Aufwärtstrend niemals endete. Die ständig positiven Schlagzeilen in den Medien bestätigten viele Börsenneulinge in Ihrem Verhalten. Letztendlich wurden innerhalb dieser Euphorie viele Startups, welche niemals einen Gewinn erwirtschafteten, zu absurden Bewertungsrelationen gehandelt.

Allerdings schlug diese Gier schnell in eine massive Angst um, die im Rahmen einer jetzt panischen negativen Überreaktion zu einem gewaltigen Kurseinbruch beim DAX führte. Übersprang der deutsche Leitindex am 7. März 2000 auf Schlusskursbasis erstmals die Marke von 8.000 Punkten, so reduzierte sich der Indexstand am 12. März 2003, also ziemlich exakt 3 Jahre später, auf ein Zwischentief von 2202 Punkten. Mit einem Kursrückgang von gut über 70 Prozent verzeichnete der DAX damals seinen stärksten historischen Einbruch, um nur wenige Jahre später wieder neue Allzeithochs zu erreichen.

Den Anlegern einen Schritt voraus sein

Die Ursachen für solche Übertreibungen sind nahezu immer identisch. Hierzu tragen auch die Journalisten bei. Auf dem Höhepunkt einer Euphorie berichten Sie häufig sehr positiv über den Börsenhandel. Hierbei beziehen sie sich oftmals auf starke Kursanstiege, welche zuvor stattgefunden haben. Hingegen herrschte im Jahr 2003 eine Weltuntergangsstimmung am Kapitalmarkt vor, welche damals durch die dreijährige Baisse massiv gefördert wurde. Auf dem Tiefpunkt im März 2003 waren nicht wenige Berichterstatter sehr pessimistisch und prophezeiten eine weiteranhaltende Baisse. Nicht wenige Anleger schmissen damals entnervt das Handtuch und verkauften zu Tiefstkursen. Als die Kurse kurz darauf wieder auf breiter Front anzogen, standen die Verkäufer wieder außen vor.

Wer an der Börse erfolgreich sein möchte, darf sich daher nicht nur vom emotionalen Herdenverhalten leiten lassen, da mit solch einer Strategie langfristige Vermögensverluste quasi vorprogrammiert sind. Dies gilt auch für den Kauf von Einzelaktien, wo ein solches Herdenverhalten permanent bei nicht wenigen Aktien beobachtet werden kann.

Wissen erfolgreich monetarisieren

Im wikifolio „Value Driven“ fließt dieses Wissen bei der Umsetzung der Investmentstrategie mit ein. Dies ist in der Praxis allerdings weitaus komplexer als in der Theorie, weil verschiedene weitere Faktoren den Kursverlauf einer Aktie beeinflussen. Zudem ist es nicht immer eindeutig, ob bei einer Aktie gerade eine Übertreibungsphase stattfindet, da die Einschätzungen von Analysten und Marktexperten auch immer nur relativ sind und sich zum Teil stark widersprechen.

Dennoch werden beim Kauf von neuen Aktien immer gewisse Faktoren berücksichtigt, um von dem Herdenverhalten anderer Marktakteure zu profitieren. Insgesamt sollen Aktien, welche derzeit im Verhältnis zu Ihrer Bedeutung stark im medialen Rampenlicht stehen und auch in Foren stark diskutiert werden, tendenziell gemieden werden. Selbst bei einer Firma wie Wirecard existieren aktuell kaum zu unterschätzende Risiken, da die Aktie bei breiten Kleinanlegerschichten mittlerweile extrem beliebt ist und die Bewertungsrelationen weitaus ungünstiger als noch vor einem Jahr erscheinen. Wenn sich bei Wirecard die Euphorie schon auf einem relativen Hochpunkt befindet, so muss die Beliebtheit der Aktie noch weiter steigen damit neue Käuferschichten angezogen werden. Dies ist irgendwann nicht mehr möglich, folglich schlägt das Marktpendel zu einem bestimmten Punkt um.

Vielmehr sind für die Strategie „Value Driven“ Titel attraktiv, die im Kurszyklus noch ganz am Anfang einer Euphorie stehen. Auf dem Kurszettel lassen sich immer wieder Unternehmen identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit am Beginn eines fundamentalen Aufschwungs stehen, was sich aber im Kursverlauf zum jeweiligen Zeitpunkt noch nicht widerspiegelt. Ist das Interesse an solchen Aktien noch gering und tendiert der Kurs noch auf einem attraktiven Niveau, weil viele Marktteilnehmer die gute Ausgangslage einer Firma noch nicht erkannt haben, so liegen oftmals ideale Bedingungen vor.

Hier besteht eine überdurchschnittliche Wahrscheinlichkeit, dass bei diesen Titeln die Stimmung anzieht, wenn permanent positive Quartalszahlen berichtet werden oder Erfolgsmeldungen über den Ticker laufen. Oftmals ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Massen einen solchen Titel entdecken und den Kurs hochtreiben. Ist ein Anleger bei solchen Aktien frühzeitig positioniert, so macht es Spaß, diese Entwicklung zu beobachten und vom Antizipieren des Herdenverhaltens zu profitieren. Ein idealer Ausstiegszeitpunkt ist oftmals dann, wenn jeder diese bestimmte Aktie haben möchte. Aufgrund der hohen Nachfrage wird dann ein gewinnträchtiger Exit realisierbar, was dauerhaft die eigene Performance massiv steigern kann.

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