Handelsstreit: USA stoppen Sonderbehandlung von Hongkong ++ Wirecard: Aktie bleibt im Rampenlicht ++ Varta: Europas Hoffnung im Batterie-Sektor? Förderung in Millionenhöhe

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Am deutschen Aktienmarkt scheint sich am Dienstag nach überraschend guten Stimmungsdaten aus der chinesischen Industrie ein leichter Konjunkturoptimismus durchzusetzen. Im Reich der Mitte hat sich die Lage der großen und staatlich kontrollierten Industriekonzerne im Juni – gemessen am Einkaufsmanagerindex – überraschend etwas gebessert.

Zum Wochenstart hatte sich der Dax um knapp 1,2 Prozent von seinem Vorwochenverlust erholt. Spannend wird nun, ob es dem Dax zeitnah gelingt, aus seiner zuletzt recht engen Spanne von 12.000 bis 12.500 Zählern auszubrechen. Der EuroStoxx 50 wird am Dienstagmorgen rund 0,1 Prozent höher erwartet.

Konjunkturdaten im Blick

Frische Impulse in die eine oder andere Richtung könnte US-Notenbankchef Jerome Powell liefern, der sich allerdings erst nach dem Börsenschluss hierzulande einem Kongressausschuss stellen muss. Während des Handels richten sich die Blicke zunächst aber auf die Entwicklung der Verbraucherpreise in der Eurozone sowie auf Daten zum US-Verbrauchervertrauen.

Auf dem Terminplan in den USA stehen die Barometer für die Stimmung der Einkaufsmanager in Großraum Chicago und die Laune der Verbraucher in den gesamten USA. Letzteres ist besonders wichtig, da der private Konsum als Hauptstütze der weltgrößten Volkswirtschaft gilt. „Der alarmierende Anstieg der Infektionszahlen könnte sich schon bald in diesen Daten widerspiegeln“, warnt Derek Halpenny, Chef-Analyst für Europa bei der Bank Mitsubishi UFJ. Hiervon würden vor allem Konsum-Werte in Mitleidenschaft gezogen.

USA stoppen Sonderbehandlung von Hongkong im Streit über Sicherheitsgesetz

Zudem spitzt sich die politische Lage zwischen den USA und China weiter zu: Die USA haben wegen eines umstrittenen Sicherheitsgesetzes damit begonnen, ihre Sonderregelungen für Hongkong auszusetzen. Man sehe sich angesichts des Vorgehens der kommunistischen Partei Chinas gezwungen, die Politik gegenüber dem Territorium neu zu bewerten, sagte US-Außenminister Mike Pompeo am Montag. Die neuen Maßnahmen seien notwendig zum Schutz der nationalen Sicherheit der USA, da man nicht mehr unterschieden könne zwischen Exporten nach Hongkong und solchen auf das chinesische Festland. Das US-Handelsministerium gab unter anderem einen Stopp der Auslieferung von Rüstungsgütern und Einschränkungen bei High-Tech-Exporten bekannt. Es rief die Regierung in Peking zu einem „sofortigen Kurswechsel“ auf. Eine Stellungnahme der chinesischen Botschaft in Washington lag zunächst nicht vor.

Brexit-Frist steht an

Außerdem rückt das Thema Brexit wieder ins Rampenlicht: Für eine Verlängerung der Übergangsfrist müsste der britische Premierminister Boris Johnson im Tagesverlauf einen Antrag stellen. Dies hat er bislang stets abgelehnt. Da die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zu EU aber stocken, droht zum Jahreswechsel ein harter Bruch. Experten zufolge hätte dieser schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für beide Seiten. Johnson will im Tagesverlauf sein Konjunkturpaket vorstellen, das milliardenschwere Infrastruktur-Investitionen vorsieht.

Wirecard bleibt im Rampenlicht

Auf Unternehmensseite bleibt der wegen eines Bilanzskandals ums Überleben kämpfende Zahlungsdienstleister Wirecard im Fokus. Die Aktie scheint mittlerweile ein Spielball von Spekulanten zu sein. Nach einem Verlust von knapp 99 Prozent binnen weniger Handelstage hatte sich der Kurs am Montag zeitweise mehr als verdreifacht bis auf über vier Euro. Mittlerweile stellte sich nun die Nordamerika-Tochter Wirecard North America selbst zum Verkauf.

Derweil will die britische Finanzaufsicht FCA dem Unternehmen den Fortgang der Geschäfte erlauben. Man habe sich vergewissert, dass das Unternehmen gewisse Bedingungen erfüllen könne, teilte die FCA am späten Montagabend mit. „Die Kunden können ab jetzt, oder sehr bald, ihre Karten wieder wie üblich verwenden.“ Die Behörde hatte der Tochter nach der Insolvenz des Zahlungsabwicklers faktisch den Geschäftsbetrieb untersagt. Die Kunden konnten nicht auf ihr Geld zugreifen. Im vorbörslichen Handel auf der Plattform Tradegate schnellten die Anteilsscheine im Vergleich zum Xetra-Schlusskurs vom Vortag zuletzt um 34 Prozent hoch.

Von diesem Dienstag an werden die Wirecard-Papiere zudem nicht mehr im Index der 600 größten börsennotierten europäischen Unternehmen zu finden sein. Wichtig sind Index-Änderungen vor allem für Fonds, die Indizes exakt nachbilden. Dort muss dann entsprechend umgestellt werden, was Einfluss auf die Aktienkurse haben kann.

Varta soll den europäischen Vorstoß ins Batterie-Geschäft anführen

Der SDax-Konzern Varta bekommt eine Förderung der öffentlichen Hand von insgesamt 300 Millionen Euro für Projekte rund um Batteriezellen. Zwei Subventionen wurden am Montag vom Wirtschaftsministerium bewilligt, teilte das Unternehmen am Montag am späten Nachmittag mit. Beide drehen sich um Lithium-Ionen-Zellen.

Die Summe, die zum Teil von den Bundesländern kofinanziert wird, soll an den Varta-Standorten Ellwangen und Nördlingen in die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie „erste industrielle Anwendung“ fließen. Varta will damit die nächste Generation Lithium-Ionen-Zellen erforschen und eine Massenproduktion aufbauen. Herausforderung dabei sei, dass die Produktionstechnik parallel zur Produktentwicklung stattfinden müsse. Der Batteriehersteller hat in der Region vergangenes Jahr bereits rund 500 Mitarbeiter eingestellt; in den kommenden zwölf Monaten soll um weitere 1000 Beschäftigte aufgestockt werden. Insgesamt zählt Varta derzeit rund 4000 Mitarbeiter.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) rechnet beim Aufbau der europäischen Batteriezellindustrie mit zahlreichen neuen Jobs in Deutschland. „Es ist absehbar, dass wir in Deutschland einige Zehntausend Arbeitsplätze schaffen werden in diesem Bereich“, sagte Altmaier in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Altmaier sagte laut seinem Ministerium, nun werde die nächste Stufe der Batteriezellfertigung in Deutschland gezündet. Erste Batteriekomponenten würden bereits in Deutschland produziert. „Nun machen wir den nächsten Schritt hin zur Großserie bei Batteriezellen für automobile und industrielle Anwendungen.“ Europa müsse bei der Quantität nicht mit Asien konkurrieren, solle aber die besten, leistungsfähigsten und umweltfreundlichsten Batterien entwickeln, sagte Altmaier beim „Frühstart“. „Da können wir führend werden und das wollen wir auch.“Europa hinkt bei der Fertigung von Batteriezellen für E-Autos vor allem Asien hinterher, es droht eine Abhängigkeit. Bisher werden nach offiziellen Angaben rund 84 Prozent der Batterien weltweit in Asien produziert und nur 3 Prozent in Europa.

Die Meldung hat die Aktie bereits im vorbörslichen Handel über die Marke von 100 Euro getrieben. Anfang Januar hatten Befürchtungen eines zunehmend harten Wettbewerbs der Rally der Varta-Papiere ein Ende gesetzt. In der Folge war unter 117 Euro eine Kurslücke aufgerissen.

Kurz und knapp:

Ströer: Die Schweizer Großbank UBS hat Ströer von „Neutral“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 60 auf 71 Euro angehoben. Kurzfristige Sorgen um eine langsame Erholung des Werbemarktes und ein besonders wackeliges Außenwerbegeschäft hätten sich als unbegründet erwiesen, schrieb Analystin Patricia Pare in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Langfristig seien die Aussichten für Ströer ohnehin gut.

Compugroup: Die Titel von Compugroup kletterten auf Tradegate um 0,6 Prozent nach oben. Zuvor hatte die Privatbank Berenberg die Aktien des Softwareanbieters für Ärzte und Apotheken von „Hold“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 75 auf 80 Euro angehoben.

Wells Fargo: Die US-Bank Wells Fargo plant eine Dividendenkürzung für das dritte Quartal 2020. Zu diesem Schluss ist die Bank nach den Ergebnissen des Stresstests durch die US-Notenbank Federal Reserve gekommen, teilte das Geldhaus am Montag nach US-Börsenschluss mit. Bislang liegt die Quartalsdividende bei 51 Cent pro Aktie. Der Kurs von Wells Fargo ist nachbörslich auf die Nachricht hin etwas schwächer.

Shell: Der britisch-niederländische Ölkonzern Shell muss angesichts des Einbruchs der Öl- und Gaspreise Milliarden abschreiben. Für das zweite Quartal kündigte das Unternehmen am Dienstag in London Wertberichtigungen von 15 bis 22 Milliarden US-Dollar an. Ausgelöst durch die Corona-Pandemie waren die Öl- und Gaspreise aufgrund eines Nachfrageeinbruchs stark gefallen.

Shell hat deswegen seine mittel- und langfristige Einschätzung für die Rohstoffpreise und die Raffineriemargen nach unten revidiert. Das Unternehmen ist damit nicht alleine: Auch Konkurrent BP musste seine Prognosen diesbezüglich korrigieren, was ebenfalls zu milliardenschweren Abschreibungen führen wird.

onvista/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: Rasto SK / Shutterstock.com

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