Scholz sieht Konflikt der EZB mit Karlsruhe beigelegt
- von Andreas Rinke und Frank Siebelt und Christian Kraemer
Berlin/Frankfurt (Reuters) - Bundesfinanzminister Olaf Scholz hält den Konflikt der EZB mit dem Bundesverfassungsgericht über die billionenschweren Anleihenkäufe der Währungshüter für gelöst.
Das in der Bundesregierung für das Thema zuständige Ministerium prüfte Unterlagen der Euro-Wächter zu den in Deutschland umstrittenen Käufen. Die Bewertung fiel eindeutig aus: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Forderungen der Karlsruher Richter in vollem Umfang erfüllt, wie es in einem Brief von Scholz an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) heißt, der der Nachrichtenagentur Reuters am Montag vorlag. Die Bundesbank könne damit weiterhin an den Anleihekäufen teilnehmen. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte zuerst darüber berichtet.
Der EZB-Rat hatte Dokumente für die Bundesregierung und den Bundestag freigegeben, die die Verhältnismäßigkeit der Käufe belegen sollen. Die Käufe waren seit 2015 ein zentrales Instrument der EZB, um die Konjunktur anzuschieben und um für mehr Preisauftrieb zu sorgen. Das Verfassungsgericht hatte im Mai aber überraschend das Kaufprogramm namens PSPP als teilweise verfassungswidrig eingestuft. Damit stellte es sich gegen den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der das Programm im Dezember 2018 als rechtens bewertet hatte. Die deutschen Verfassungsrichter forderten in ihrem Urteil, dass der EZB-Rat die Verhältnismäßigkeit der Käufe belegen müsse. Ansonsten sei es der Bundesbank untersagt, nach einer Übergangsfrist an den Käufen teilzunehmen. Der einheitlichen Geldpolitik im Euro-Raum würde ein Ausscheren der Bundesbank einen schweren Schlag versetzen - und das mitten in der bislang schwersten Wirtschaftskrise für die 19-Ländergemeinschaft.
Scholz kommt in dem Brief an Schäuble nun zu dem Schluss, dass die EZB ihre Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe "nachvollziehbar dargelegt" hat. "Der Beschluss des EZB-Rats in Verbindung mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen genügt den Anforderungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 in vollem Umfang", heißt es darin. Die Notenbank habe unter anderem die erwarteten Auswirkungen der Käufe auf die Finanzen der Euro-Länder, auf die Privathaushalte und die Sparer sowie auf die Banken aufgezeigt. Und diese seien mit dem Inflationsziel der Währungshüter von knapp zwei Prozent in Beziehung gesetzt worden.
UNION, SPD, FDP UND GRÜNE SEHEN RICHTERFORDERUNG ERFÜLLT
Auch aus Sicht der Fraktionen von Union, SPD, FDP und Grünen hat die EZB das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Der Deutsche Bundestag komme zu dem Ergebnis, dass der im Urteil enthaltenen Forderung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung entsprochen werde, heißt es in einem Reuters am Montag vorliegenden gemeinsamen Entwurf der Fraktionen. Sie wollen am Dienstag über ihn beraten. Der Bundestag soll noch in dieser Woche darüber abstimmen.
Finanzminister Scholz will den Verfassungsrichtern die EZB-Dokumente zukommen lassen. Den Richtern will er dabei zugleich "die Überzeugung darlegen, wonach die Unterlagen der EZB die Anforderungen des Urteils vom 5. Mai erfüllen." Eine doppelte Übersendung der Dokumente durch den Bundestag und die Bundesregierung soll aber vermieden werden. Scholz plädiert für ein abgestimmtes Vorgehen zwischen Regierung und Bundestag. Den Karlsruher Richtern sollen daher erst nach der laufenden Sitzungswoche des Bundestags die Unterlagen übersendet werden.