Kutzers Zwischenruf: Privatanleger kaufen nach dem Crash mehr Aktien

Hermann Kutzer · Uhr

Fortgeschrittene Privatanleger beweisen ein gutes Näschen. Was schon bei anderen Häusern durchgesickert war, wird jetzt durch eine Analyse der ING Deutschland eindrucksvoll bestätigt, die mehr als 710.000 Depot-Kunden im ersten Halbjahr 2020 untersucht. Zentrales Ergebnis: Deutsche Privatanleger lassen sich die Handelslaune durch die Corona-Krise nicht verderben. Sie haben im ersten Halbjahr zweieinhalb Mal so viel gehandelt wie im Vorjahr. Dabei war das Kaufvolumen deutlich höher als das Verkaufsvolumen.

Wer hätte das gedacht! War ich mit meinem Verdacht kurz nach dem Crash vielleicht zu skeptisch, wonach dieser weitere Anleger von der Börse vertreiben dürfte? Die im nächsten Januar veröffentlichten Aktionärszahlen für 2020 sollten demnach wieder einmal einen enttäuschenden Rückgang aufweisen. Das muss nicht so sein, kann aber. Denn die Depotkunden von Häusern wie ING verhalten sich nicht unbedingt genauso wie die Mehrheit der deutschen Aktionäre.

Die deutschen Privatanleger waren in den ersten sechs Monaten des Jahres „äußerst aktiv“, resümiert die Bank. Tatsächlich hat der Wertpapierhandel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich zugenommen. So stieg die Zahl der Anleger, die mindestens einmal aktiv mit Wertpapieren handelten, um enorme 69 Prozent (inklusive Sparpläne). Während jeder Privatanleger im Vergleichszeitraum 2019 durchschnittlich 12,6 Trades vornahm, schnellte die Zahl der Transaktionen im ersten Halbjahr 2020 auf 18,8 hoch (inklusive Sparpläne). Die Corona-Krise und die volatilen Märkte haben die Kunden nicht vom Wertpapierhandel abgeschreckt. Ganz im Gegenteil, viele haben die Situation zum Börseneinstieg genutzt. Insbesondere bei den Kunden unter 40 Jahren wird seit einigen Monaten eine stark erhöhte Nachfrage nach Depots registriert. Einsamer Spitzenreiter sind Aktien: Ihr Anteil am Kauf- und Verkaufsvolumen betrug jeweils 68 Prozent für die ersten sechs Monate. Beim Kaufvolumen folgen ETFs mit 15 Prozent und Hebelprodukte mit 11 Prozent.

Wie gesagt, man kann diese Zahlen nicht ohne weiteres verallgemeinern. Aber auch Joachim Goldberg, der bekannte Verhaltensforscher an der Börse Frankfurt (mit dem wöchentlicher Sentiment-Report), macht ähnliche Erfahrungen, wie er mir in einem Gespräch berichtet. Er ist immer wieder erstaunt über das Know-how vieler Privatanleger, über deren Disziplin und das Detailwissen. Jedenfalls seien die Privaten per saldo nicht weniger erfolgreich als die Profis. Gerade im laufenden Jahr sind die Privaten erstaunlich mutig und phasenweise bullischer als die institutionellen Investoren gewesen. Nur dürfe man nicht außer Acht lassen, dass der Privatanleger niemand

Rechenschaft schuldig ist und sich nicht mit Konkurrenten und Benchmarks vergleichen muss – das fördert eine mutige Haltung.

Solche Beobachtungen und Erfahrungen sollten hilfreich sein, geschätzte Anleger, um mehr und intensiver für die private Aktienanlege zu werben. Ich plädiere dabei ausdrücklich für das betont langfristigen Investment (s. letzter Zwischenruf). Haben Sie sich ähnlich verhalten und gute Erfahrungen gemacht – sagen Sie es weiter!

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