Regierung will Flugchaos verhindern - "Einfach wird das nicht"

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Berlin (Reuters) - Die Bundesregierung und die Luftfahrt wollen zur Urlaubssaison im Sommer ein Chaos an deutschen Airports mit Warteschlangen und Flugstreichungen vermeiden.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing erörterte am Mittwoch mit Branchenvertretern Probleme wie den massiven Personalmangel. Der Bund will nun in einer Staatssekretärsrunde Schritte diskutieren, um die Lage kurzfristig zu verbessern. Die Regierung bemühe sich nach Kräften, eine Lösung etwa beim Personalmangel zu finden, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit und räumte zugleich ein: "Aber einfach wird das nicht."

Die Luftfahrt steckt im Dilemma. Mit Abebben der Corona-Pandemie will sie endlich wieder durchstarten. Denn die Reiselust der Menschen ist nach Angaben der Branche enorm. Doch stattdessen sorgen Flugstreichungen, Verspätungen und Warteschlangen für Schlagzeilen. Als Knackpunkt gelten Personalmangel und Engpässe bei Sicherheitskontrollen, Check-in und Flugzeugabfertigung. Laut Flughafenverband ADV ist dort etwa jede fünfte Stelle unbesetzt. Die Branche will rund 2000 Leiharbeiter aus der Türkei holen, um Personallücken zu füllen, und hofft hier auf beschleunigte Verfahren und Rückendeckung der Regierung.

"Die aktuelle Lage im Luftverkehr ist äußerst angespannt", sagte ein Wissing-Sprecher. Während der zwei Corona-Jahre habe die Branche Personal abgebaut und könne jetzt nicht genug Ersatz an Bord holen. Dies sei ein internationales Problem und die EU-Kommission wolle sich demnächst mit den EU-Ländern und der Industrie darüber austauschen. Schnelle Abhilfe gilt hier aber als unwahrscheinlich. Auch Regierungssprecher Hebestreit betonte, alle neuen Mitarbeiter müssten die nötigen Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen. Auf die Frage, ob die Bundespolizei Kapazitäten habe, bei Sicherheitskontrollen einzuspringen, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, man schöpfe derzeit alle Möglichkeiten aus, um die zuständigen privaten Dienstleister zu unterstützen. Es sei aber nicht Aufgabe der Bundespolizei, die Sicherheitskontrollen zu machen.

Die Airlines dünnen bereits ihre Flugpläne aus, um die Abläufe zu stabilisieren und ein Chaos zu vermeiden. So streicht die Lufthansa allein für Juli 900 Flüge an den Drehkreuzen in Frankfurt und München, ihre Billigtochter Eurowings kappt mehrere hundert Verbindungen. Der britische Billigflieger Easyjet streicht von Juni bis August vom und zum Berliner Flughafen rund 1000 Flüge.

VIELE KRANKE BEI BODENPERSONAL - "BRANCHE KURZ VORM KOLLAPS"

Verschiedene Verbände wie die Flughafen-Lobby ADV begrüßten, dass der Bund eine Koordinierungsgruppe einsetzen will. Wichtig sei, eine effiziente Durchführung der staatlichen Sicherheitskontrollen zu ermöglichen, erklärte auch der BDL. Man erhoffe sich ebenso Fortschritte rund um Arbeitnehmerüberlassung aus Drittstaaten für die Bodendienste an Flughäfen. Verdi pochte darauf, dass bei solchen Leiharbeitskräften der Grundsatz gelte: "gleicher Lohn und gleiche Bedingungen für gleiche Arbeit". Im Luftverkehr und bei den Bodendiensten dürften sich die Arbeitsbedingungen nicht weiter verschlechtern, sagte ein Gewerkschaftssprecher. "Die hohen Krankheits-Quoten von teilweise über 25 Prozent belegen, dass die komplette Branche kurz vor dem Kollaps steht."

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) mahnte Wissing zur Eile. "Ansonsten werden wir in diesem Sommer an den Flughäfen ein noch nie dagewesenes Chaos erleben", warnte GdF-Chef Matthias Maas jüngst. "Weitere kurzfristige Flugstreichungen, lange Schlangen in den Terminals, verzweifelte Passagiere, die ihre Maschinen nicht rechtzeitig erreichen und verspätete oder verlorene Gepäckstücke werden an der Tagesordnung sein."

Der Verkehrsanstieg nach der Corona-Krise ist nach Angaben der Deutschen Flugsicherung (DFS) zwar erfreulich. "Aber er stellt nicht nur Airlines und Flughafenbetreiber vor Herausforderungen, sondern fordert auch die DFS – insbesondere in Kombination mit dem zusätzlichen militärischen Verkehr durch den Krieg in der Ukraine", sagte Dirk Mahns, der bei der Flugsicherung für den operativen Betrieb zuständig ist.

(Bericht von Klaus Lauer und Alexander Ratz; redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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