Heiko Böhmer: Ausblick 2. Halbjahr 2022 - Die Profis bleiben vorsichtig

Heiko Böhmer · Uhr
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Zuversicht sieht anders aus: Die globalen Fondsmanager schätzen die Chance auf eine Verbesserung des globalen Wachstums derzeit so niedrig ein wie zuletzt 1994. Das ist eines der Ergebnisse des aktuellen Global Fund Manager Surveys der Bank of America für den Juni. Die Finanzprofis sehen vor allem zwei große Herausforderungen für die Märkte in den kommenden Monaten: Da ist die weiterhin sehr hohe Inflation. Hinzu kommt die neue Phase von Zinserhöhungen und der Abbau der Notenbankbilanzen.

Nach den vielen Herausforderungen im fast abgelaufenen ersten Halbjahr 2022 sehen die globalen Fondsmanager auch auf Sicht der kommenden Monate viele Belastungen für die Märkte. Dabei spielen die weiteren Effekte der Inflation eine immer größere Rolle. Stichwort Gewinnwachstum der Unternehmen: Hier sind die globalen Fondsmanager aktuell sehr skeptisch. So erwarten 72 Prozent der Befragten einen Rückgang bei den Unternehmensgewinnen auf Sicht der kommenden 12 Monate. Das ist der höchste Wert in dieser Kategorie seit September 2008 – dem Monat der Lehman Brothers-Pleite und dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise.

Als gängigstes Szenario für die kommenden 12 Monaten machen die Profis eine überdurchschnittliche Inflation und ein unterdurchschnittliches Wachstum aus. Der Fachbegriff für eine solche Wirtschaftsentwicklung lautet Stagflation. Aktuell erwarten mit 83 Prozent so viele Profis wie seit Sommer 2008 nicht mehr das als wahrscheinliches Szenario. Dabei hat die Geschichte immer wieder gezeigt, dass dieses Szenario nur wenige Gewinner kennt.

Masse der Fondsmanager erwartet wirtschaftlichen Rückgang 

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Notenbankpolitik bleibt das größte Risiko für die Finanzmärkte

Besonders genau schaue ich immer auf die Risikoeinschätzung der Fondmanager. Hier lässt sich die Stimmung der Profis besonders gut ablesen. Tatsächlich bleibt die Einschätzung gegenüber dem Vormonat nahezu unverändert – zumindest auf den ersten drei Plätzen. Die restriktivere Notenbankpolitik und somit das Zurückfahren der Bilanzen, einhergehend mit der Anhebung der Zinsen, wird von den Fondsmanagern als das größte Risiko angesehen. Dahinter folgen die Angst vor einer Rezession und einer weiterhin hohen Inflation. Der Russland-Ukraine-Krieg ist in der Risikoeinschätzung weiter nach hinten gerutscht und rangiert im Juni nur noch auf Platz 5. Im März wurde dieses Risiko kurzzeitig sogar als größte Herausforderung für die Finanzmärkte angesehen.

Hier ist einmal mehr erkennbar: Politische Themen spielen an der Börse oft nur kurzzeitig die Hauptrolle – so zynisch dieser Ansatz auch sein mag angesichts des Leidens in der Ukraine. Doch Finanzmärkte werden von Emotionen angetrieben – vornehmlich von Angst und Gier. Und wenn die akute Angst rund um ein Thema nachlässt, dann gehen die Finanzmärkte gerne wieder in den Alltagsmodus über.

Rohstoffe derzeit besonders beliebt als Anlageklasse der Profis

Spannend ist auch der Blick auf die favorisierten Anlageklassen der Fondsmanager. Hier dominieren Öl und Rohstoffen allgemein aufgrund eines erwarteten weiteren Preisanstiegs. Danach folgt ein stärkerer US-Dollar. Kurz der Blick zurück: 2021 standen Technologieaktien in dieser Rangliste weit vorne – dann nahm aber ab dem zweiten Quartal 2021 die Marktbreite innerhalb des Technologiesektors ab. Genau dieser Effekt war zuletzt im Rohstoffbereich erkennbar. Es ist also möglich, dass sich auch hier eine Trendwende andeutet.  Zuletzt waren die Industriemetalle schon schwächer, während der Energiesektor weiter noch sehr stark war.

Die aktuelle Umfrage verdeutlicht ganz klar die aktuell vorsichtige Haltung der globalen Fondsmanager. Aber einen Hoffnungsschimmer bietet die Umfrage dann doch noch. Im Vergleich zum Vormonat ist die Cashquote der Profis wieder etwas gesunken und zwar von 6,1 auf jetzt 5,6 Prozent. Die rekordhohe Vorsicht, gemessen an der Cashquote der Profis, hat wieder etwas abgenommen. Ob das aber eine komplette Trendwende ist, wird sich dann wieder in vier Wochen zeigen, wenn das neue Ergebnis veröffentlicht wird. Gut möglich, dass die Stimmung erst einmal wieder ins Negative dreht, denn die aktuelle Umfrage fand in den Tagen vor dem letzten massiven Rückgang an den Finanzmärkten statt.

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