US-Berichtssaison: Bisher besser als befürchtet

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: Matosem/Shutterstock.com

Bei der Frage, wie es weitergeht an den Börsen, geht der Blick naturgemäß über den großen Teich in die USA, denn das ist der mit Abstand der wichtigste Börsenplatz der Welt. Und wenn dort die Berichtssaison auf Hochtouren läuft, lohnt es sich genauer hinzuschauen, wie denn die Gewinnentwicklung bei den maßgeblichen US-Unternehmen aussieht.

Für das Grundverständnis der US-Börse ist es wichtig zu verstehen, dass dieser Aktienmarkt von zwei Faktoren angetrieben wird. Da ist zum einen die Entwicklung der Zinsen – maßgeblich beeinflusst durch die US-Notenbank Fed. Und zum anderen spielt die Entwicklung der Unternehmensgewinne eine Rolle. Genau dieser Aspekt soll hier im Fokus stehen. Als erstes Fazit zur aktuellen Berichtssaison lässt sich sagen: Sie ist besser ausgefallen, als befürchtet.

So haben die Gewinne im Vorjahresvergleich im Durchschnitt um 4,3 Prozent zugelegt. Beim Umsatz gab es sogar einen deutlichen Zuwachs von 11,6 Prozent. Der ist leicht erklärbar durch die inflationär deutlich angestiegenen Preise. Daher ist in diesem Jahr der vor allem der genaue Blick auf die Gewinne entscheidend.

Zunächst einmal ist die aktuelle Datenbasis schon sehr gut, denn bis jetzt haben schon rund 85 Prozent der Unternehmen beispielsweise im marktbreiten US-Index S&P 500 die Daten zum dritten Quartal 2022 vorgelegt. Immerhin 71 Prozent der Unternehmen gelang es, die Erwartungen der Analysten zu schlagen. Das liegt deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 66 Prozent – liegt jedoch unterhalb des Durchschnitts der vergangenen vier Quartale, der bei 78 Prozent lag. Dies sind alles Daten der Marktexperten von Refinitiv.

Gewinne auf dem Rückzug – aber sie sind nicht abgestürzt

Der genaue Blick auf die Gewinne offenbart aber sehr starke Bewegungen in den vergangenen Monaten. So erwarteten die Analysten noch Anfang Juli ein Gewinnwachstum von 11,1 Prozent für den S&P 500. Davon sind jetzt nur noch gut vier Prozent übriggeblieben. Rechnet man den Energiesektor, der in diesem Jahr auch als einziger Sektor überhaupt Kursgewinne aufzuweisen hat, heraus, dann sind die Gewinne im S&P 500 im dritten Quartal sogar um rund 3,5 Prozent gesunken.

Doch selbst ein solcher Rückgang ist nicht katastrophal. Insofern kann man wirklich sagen, die Masse der US-Unternehmen ist im dritten Quartal zumindest noch mit einem blauen Auge davongekommen. Doch einen Sektor hat es an der Börse besonders hart getroffen: Die US-Technologieaktien. Deutliche Kursverluste als Reaktion auf die aktuellen Bilanzdaten mussten selbst die Schwergewichte wie Amazon oder Meta verkraften. Und tatsächlich ist Technologie auch der wichtigste Sektor im S&P 500 Index mit einem Gesamtanteil von rund 25 Prozent.

Wenn es also in diesem Sektor nicht so gut läuft, dann belastet das eigentlich den gesamten Index. Doch genau das haben wir in den vergangenen Wochen nicht erlebt. Hier haben die Zuwächse in klassischen Sektoren wie Energie, Industrie oder auch Gebrauchsgüter den Index wieder angeschoben. Das sind die Sektoren, die auch die deutlichsten Gewinnzuwächse verzeichnen konnten. So haben die Energieunternehmen einen Gewinnsprung um rund 140 Prozent erreicht. Bei den Industriewerten ging es im Durchschnitt um 19 Prozent und bei den Gebrauchsgütern um annähernd 13 Prozent nach oben.

Der gesamte Gewinnüberblick macht also eine Sache ganz deutlich: 2022 ist ein schwieriges Jahr an den Kapitalmärkten – aber längst nicht für alle Unternehmen. Das ist nach drei Quartalen schon klar. Wie es dann für das gesamte Geschäftsjahr aussieht, werde ich an dieser Stelle Anfang des kommenden Jahres analysieren. 

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