So viele Dinge sind in Bewegung

Heiko Böhmer: Zeitenwende geht auch 2023 weiter

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: Dilok Klaisataporn/Shutterstock.com

Jetzt ist es amtlich: 2022 ist das Jahr der Zeitenwende. Nun ist „Zeitenwende“ auch noch zum Wort des Jahres gewählt geworden. Doch eines ist jetzt schon klar: 2023 wird sich die Zeitenwende fortsetzen. So viele Dinge sind in Bewegung – ob in der Wirtschaft oder in der Politik. Da reicht ein Jahr nicht aus, um solche massiven Veränderungen abzuschließen.

An den Finanzmärkten sehen wir viele große Veränderungen. 2022 hat die Rückkehr einiger Dinge gebracht, die doch für lange Zeit keine Rolle gespielt habe.

Die Rückkehr der Zinsen

Noch Anfang des Jahres lagen die Zinsen am Boden. Viele Anleihen notierten im Negativ-Bereich. Doch dann nahmen die Zinsanhebungen Fahrt auf. Erst in kleineren Ländern wie Neuseeland, später auch in Großbritannien. Dann folgte bald danach die US-Notenbank Fed mit dem ersten Zinsschritt. Seitdem hat die Dynamik deutlich zugenommen und in wenigen Tagen wird der Zins in den USA erneut angehoben werden – auf dann 4,25 bis 4,5 Prozent. Solche massiven Zinsanstiege haben wir schon lange nicht mehr gesehen an den Finanzmärkten.

Der positive Nebeneffekt: Mittlerweile hat Geld wieder einen Preis durch die Rückkehr der Zinsen. Das verbessert die Kapitalallokation der Unternehmen. Auch das haben wir in der Nullzinsphase fast vergessen.

Die Inflation setzt sich fest

Noch Anfang 2022 gingen die Meinungen über die weitere Inflationsentwicklung weit auseinander. Von Seiten der Notenbanken, auch aus den USA, wurde zu dem Zeitpunkt die Inflation noch als „vorübergehend“ bezeichnet. Nun sind wir schlauer, denn die Inflation hat wohl erst in den vergangenen Wochen ihren Höhepunkt erreicht und ist im Jahresverlauf vor allem in der Euro-Zone sogar noch über den psychologisch wichtigen Schwellenwert von 10 Prozent gestiegen.

Wie fest sich die Inflation wirklich gesetzt hat und wie es weitergeht, werde ich an dieser Stelle auch 2023 eng verfolgen.

Der Krieg kommt zurück nach Europa

Nun hat 2022 auch die Rückkehr des Kriegs nach Europa gebracht – mit massiven Folgen für die Stabilität der Finanzmärkte und vor allem für den Energiesektor. Auch nach fast 10 Monaten ist ein Ende des Konfliktes noch nicht in Sicht. Das gilt sowohl für eine militärische Lösung als auch für den Verhandlungsweg. Viele Experten wurden in den vergangenen Monaten von den Ereignissen in der Ukraine immer wieder überrascht.

Was aber schon erkennbar ist: Der Krieg hat an den Finanzmärkten viel von seinem Schrecken verloren. Es ist nur noch eine Krise unter vielen. Das mag man moralisch fragwürdig finden, doch die Börsen sind nicht bekannt für ihr Mitgefühl, sondern für die Analyse von Zuständen und vor allem für den Blick nach vorn.

Insofern bietet 2023 gute Chance auf positive Meldungen aus der Ukraine, wenn es dann zu ernsthaften Verhandlungen kommen sollte. Ein harter Winter könnte hier auf beiden Seiten die Verhandlungsbereitschaft sicherlich fördern.

Eine überraschende Energiekrise

Beim nächsten Thema wiederum wird ein harter Winter die Lage nur verschärfen, denn 2022 hat auch eine Energiekrise gebracht. Dabei sind wir besonders in Deutschland auf dem falschen Fuß erwischt worden. Jahrelang war die Energiepolitik auf billiges Gas aus Russland ausgerichtet. Doch seit dem 24. Februar und dem russischen Angriff auf die Ukraine ist alles anders.

Zunächst erhielten wir noch russisches Gas. Doch diese Zeiten sind jetzt vorbei. Immerhin ist es gelungen, die Gasspeicher komplett aufzufüllen vor dem Winter. Doch sollte die Situation 2023 noch so bleiben, wird es eine noch größere Herausforderung werden. Schon jetzt ist klar: Ohne russisches Gas werden wir die Gasspeicher über den Sommer nicht wieder komplett auffüllen können.

Hier müssen die LNG-Terminals einspringen. Doch dieses Gas ist jetzt schon deutlich teurer als andere Gassorten und muss erst aufwändig aus den USA nach Europa transportiert werden.

Das war nur der Blick auf einige wichtige Themen 2022. Hier wird schon deutlich: Wir befinden uns in unruhigem Fahrwasser, auch wenn sich der Sturm zuletzt etwas gelegt hat. Die Schwankungen an den Börsen sind wieder zurückgegangen. Es ist aber gut möglich, dass wir nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm erleben, denn die massiven Krisen werden nicht über Nacht verschwinden.

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