Euro-Wirtschaft wächst wieder - "Könnte Rezession entgehen"

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Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft im Euroraum ist überraschend mit einem Wachstum ins Jahr gestartet.

Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft - Industrie und Dienstleister zusammen - legte im Januar um 0,9 Zähler auf 50,2 Punkte zu, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Dienstag zu seiner Umfrage unter Tausenden Firmen mitteilte. Damit liegt das an den Finanzmärkten stark beachtete Barometer nach sechsmonatigem Schrumpfkurs erstmals wieder über der Marke von 50 Punkten, ab der es ein Wachstum signalisiert. Von Reuters befragte Experten hatten erwartet, dass es knapp unter dieser Schwelle verharren wird. "Dass sich die Wirtschaft der Euro-Zone zu Beginn des Jahres weiter stabilisiert hat, deutet darauf hin, dass die Region einer Rezession entgehen könnte", sagte S&P-Global-Chefvolkswirt Chris Williamson. Die deutlich gesunkene Gefahr einer Gas-Rationierung dürfte dazu ebenso beigetragen haben wie das Abflauen von Lieferengpässen.

In Deutschland schrumpfte die Wirtschaft im Januar nur noch geringfügig: Hier stieg das Barometer im Januar bereits den dritten Monat in Folge, und zwar um 0,7 Zähler auf 49,7 Punkte. Allerdings geben die Experten noch keine Entwarnung in Sachen Rezession. "Die deutsche Wirtschaft ist relativ stabil ins neue Jahr gestartet", kommentierte S&P-Global-Ökonom Phil Smith die Entwicklung. "Damit ist eine Rezession in der größten Volkswirtschaft der Euro-Zone jedoch keineswegs vom Tisch." Im vierten Quartal 2022 hatte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamtes stagniert.

Von den geringeren Lieferproblemen profitieren der Umfrage zufolge vor allem die Hersteller in Deutschland. "Und die jüngste Öffnung der Wirtschaft Chinas hat dazu beigetragen, dass die Aussichten für einen globalen Konjunkturaufschwung wieder gestiegen sind, was wiederum den Optimismus der Unternehmen enorm beflügelt hat", erklärte Williamson.

"DÜRFTE EZB BESTÄRKEN"

Die überraschend gute Entwicklung der Wirtschaft dürfte Folgen für die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) haben. "Die heutigen Daten dürften die EZB in ihrer Einschätzung bestätigen, dass die Wirtschaft im Euroraum nur eine milde Rezession durchlaufen wird, was für sich genommen die Wahrscheinlichkeit weiterer signifikanter Leitzinsanhebungen erhöht", sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Die EZB hat im vergangenen Jahr ihre Nullzinspolitik beendet. Mittlerweile liegt der Leitzins bei 2,50 Prozent. Er dürfte bereits kommende Woche erneut angehoben werden - voraussichtlich auf 3,00 Prozent. "Die höheren Finanzierungskosten werden die Konjunktur mit der üblichen zeitlichen Verzögerung bremsen", sagte Commerzbank-Ökonom Weil. "Hinzu kommt die deutliche Aufwertung des Euro, der die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf dem Weltmarkt verschlechtert." Nicht zuletzt reiße die hohe Inflation tiefe Löcher in die Kassen der privaten Haushalte.

(Bericht von Rene Wagner und Reinhard Becker. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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