Aktie unter der Lupe

Kommt Nordex aus der Dauerkrise?

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Wer durch Deutschland fährt und aus dem Fenster schaut, sieht sie überall: Windräder sind mittlerweile im Landschaftsbild so präsent wie Bäume oder Straßen. Angesichts der Omnipräsenz von Windrädern, die nur immer größer wird, liegt Gedanke nahe, dass das Geschäft der börsennotierten Hersteller wie die dänische Vestas oder der Hamburger Nordex florieren würde. Tatsächlich aber ist das Gegenteil richtig: Die gesamte Windkraftbranche steckt tief in der Krise.

Das zeigen auch die Zahlen für die ersten neun Monate des laufenden Jahres, die Nordex am Dienstag veröffentlicht hat. Der Verlust verringerte sich im dritten Quartal zwar, liegt seit Jahresbeginn aber immer noch bei 334 Millionen Euro. Ein detaillierter Blick in die Zahlen verrät, wo die Probleme liegen, ob Nordex bei der Bewältigung voran kommt und was das für die Aktie bedeutet.

Nordex: Bruttogewinnmarge bleibt problematisch

Die Geschäftszahlen sehen zunächst gut aus. Der Umsatz in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres stieg deutlich auf rund 4,5 Milliarden Euro (siehe Tabelle oben). Auch die Bruttogewinnmarge ist gestiegen. Diese Kennziffer sagt aus, wie viel vom Umsatz nach Abzug der Materialkosten übrig bleibt. Hier ist das Ergebnis sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen höher als im Vorjahreszeitraum.

Das Problem: 13,6 Prozent Bruttomarge ist immer noch sehr wenig und deutet auf einen intensiven Wettbewerb in der Windkraftbranche hin. Der erlaubt vielen Firmen nur schmale Gewinne; es gibt wenig Spielraum, um Preissteigerungen bei Material sowie Herstellung weiterzureichen.

Auch operative Kosten steigen

Bei den operativen Kosten für Personal, Vertrieb und Verwaltung weist Nordex Mehrausgaben von 66 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum aus. Fast alles davon ist auf einen Anstieg der Personalkosten zurückzuführen. Nordex hat also zwar auf Bruttoebene mehr verdient, muss aber auch höhere Kosten tragen: schlecht für den Gewinn.

Positiv wirken im Moment noch Devisentermingeschäfte von Nordex. Damit sichert sich der Konzern gegen Wechselkursschwankungen ab. Hier beträgt der Gewinn 43 Millionen Euro und damit 19 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Doch Gewinne hier sind volatil; dass sie auch in Zukunft anfallen fraglich. Letztlich waren auch die 43 Millionen Euro, die Nordex dort bisher verdient hatte, Peanuts: Mit diesem Überschuss könnte Nordex noch nicht einmal die Reisekosten begleichen, geschweige denn das Problem bei der Profitabilität insgesamt lösen.

Service-Leistungen zwar margenstark, aber zu gering

Auch ein Blick auf andere Zahlen mahnt Anleger zur Vorsicht. Wenn Nordex einen neuen Auftrag akquiriert, umfasst er meist weitere Service-Leistungen für einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren. Damit verbunden sind regelmäßige Zahlungen. Das betont das Unternehmen gerne und oft.

Das ist eine Umsatzsteigerung von über einem Fünftel. Gut für den Konzern: Anders als bei der Produktion neuer Windkraftanlagen ist die regelmäßige Wartung relativ gut planbar - und margenstark. 67 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Zinsen (Ebit) blieben in den ersten neun Monaten übrig: von einem Umsatz-Euro sind also 14 Cent operativer Gewinn. Das ist gut und freut Unternehmen und Investoren. Aber: Der Umsatz aus dem gewinnträchtigen Service macht gerade einmal knapp zehn Prozent des Konzernumsatzes aus - das ist schlicht zu wenig, um in die Gewinnzone zu kommen.

Die Aktien werden mehr

Nordex muss deswegen immer neue Aktien begeben. Ende 2021 waren 160 Millionen Nordex-Aktien im Umlauf. Heute sind es über 236 Millionen. Das heißt: Nordex hat Kapitalerhöhungen durchgeführt, um liquide zu bleiben und das Eigenkapital zu stärken.

Die jüngste Kapitalerhöhung vollzog das Unternehmen im März. Acciona, ein spanischer Mischkonzern und Hauptanteilseigner von Nordex, verzichtete auf 347 Millionen Euro Forderungen und erhielt dafür 24,5 Millionen Aktien zu je 14,15 Euro.

Bitter für Kleinaktionäre: Das Bezugsrecht für Aktionäre war ausgeschlossen. Ihre Anteile am Konzern wurden somit verwässert. Sollte Nordex irgendwann einmal Gewinne schreiben, verteilt sich dieser auf mehr Aktien. Auch eine Gewinnausschüttung, so sie denn irgendwann einmal käme, würde sich auf mehr Aktien verteilen; die Dividende je Aktie also geringer ausfallen. Auch deshalb sind ständige Kapitalerhöhungen oft schlecht für den Aktienkurs.

Fazit

Die Einnahmen aus dem laufenden Geschäft können die Ausgaben dagegen nicht decken. Die Einnahmen aus dem margenstarken Service-Bereich trotz starkem Wachstums zu gering, um die Verluste im Projektgeschäft auszugleichen. Nordex schafft es bisher nur dank Investoren wie Acciona, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Wie lange das noch gutgehen wird, lässt sich nicht sicher abschätzen.

Ein weiteres Problem stellen die steigenden Kosten für Rohstoffe und Energie dar. Nordex ist in einer sehr wettbewerbsintensiven Branche und hat daher keine Preissetzungsmacht. Sprich: Nordex kann die gestiegenen Kosten nur sehr schwer an die Kunden weiterreichen. Für mittel- bis langfristig ausgerichtete Investoren ist die Aktie deshalb nichts; sie sollten einen Bogen um sie machen.

Quelle: Tradingview

Etwas anders sieht das charttechnische Bild aus, an dem sich kurzfristige Trader orientieren können. Die letzte Kursverdopplung der Nordex-Aktie nach dem Zwischentief aus dem vergangenen Oktober wurde zum Großteil wieder korrigiert. Die Abwärtskorrektur entwickelte allerdings keine neue Dynamik nach unten. Das spricht für die Käufer. Diese wenig dynamische Abwärtskorrektur der vergangenen Monate trägt daher eher einen korrektiven Charakter: gelingt ein nachhaltiger Ausbruch über die kurzfristig relevante Abwärtstrendlinie im Wochenchart bei etwa zwölf Euro, wäre eine größere Erholungsbewegung in den Bereich 16 bis 18 Euro drin. Bis dahin kann ein weiteres Abdriften der Aktie in Richtung der Vorjahrestiefs nicht ausgeschlossen werden. Hier heißt es also: Ausbruch über den Abwärtstrend im Wochenchart abwarten.

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