Elektroauto-Zollstreit heizt sich auf - "Darwinistische Periode" für Autobranche

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München/Brüssel (Reuters) - Im Zollstreit mit den USA und der Europäischen Union legt China nach und bringt höhere Abgaben ins Spiel.

Ein Experte eines staatlichen Forschungsinstituts sprach von 25 Prozent Einfuhrzoll, der für westliche Verbrennerfahrzeuge mit größeren Motoren gelten soll. Das dürfte insbesondere die deutschen Autobauer BMW und Mercedes treffen. Liu Bin, Experte des China Automotive Technology & Research Center (CATARC), begründete den Vorschlag explizit mit den Plänen für Strafzölle in den USA und Europa. An der Börse gaben die Kurse der Autobauer nach. Stuart Cole vom Finanzdienstleister Equiti Capital sagte, die Äußerungen aus China seien "eindeutig ein Warnschuss".

Die EU-Kommission will im Juni entscheiden, ob sie Anti-Dumping-Zölle auf chinesische Elektroautos verhängt und damit dem Vorbild der USA folgt. Dort legte der Handelsbeauftragte nun Details zu den Strafzöllen vor, die ab August auf 100 Prozent steigen sollen. Neben Elektroautos sind auch Halbleiter und zahlreiche andere Produkte von den höheren Zöllen betroffen. Es gehe um solche Waren, in denen die USA zuletzt "signifikante Investitionen" getätigt hätten, teilte das Büro des Handelsbeauftragten mit. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat milliardenschwere Programme aufgelegt, um die Elektroauto- und Solarindustrie zu fördern. Sie wirft China vor, US-Firmen durch massive Überproduktion zu schaden.

STELLANTIS-CHEF SAGT HARTEN PREISKRIEG VORAUS

In der Autobranche stoßen die Zollpläne einhellig auf Kritik. Stellantis-Chef Carlos Tavares bezeichnete am Mittwoch im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters Zölle als eine "größere Falle". Sie verhinderten die nötige Anpassung der westlichen Autobauer an die Konkurrenz aus China nicht, sondern trieben lediglich die Inflation nach oben.

Tavares sprach von einer "darwinistischen Periode", in der die Branche derzeit stecke. Der Preiskrieg mit den chinesischen Rivalen werde "sehr hart". "Es wird nicht leicht für die Händler. Es wird nicht leicht für die Zulieferer. Es wird nicht leicht für die Autobauer selbst." Elektroautobauer aus China hätten derzeit einen Kostenvorteil von 30 Prozent.

Volkswagen-Technikvorstand Thomas Schmall sagte, dass in Europa jetzt ein "Masterplan" nötig sei. Die USA hätten mit dem Inflation Reduction Act einen guten Vorstoß gemacht, auch in China gebe es klare Pläne für Industrie und Politik. Ähnliches fehle in Europa. "Die Tür schließt sich", sagte er. "Meiner Einschätzung nach haben wir noch zwei oder drei Jahre Zeit. Wenn wir nicht schnell sind und Gas geben, wird es wirklich schwierig, als deutsche Branche zu überleben." Franz Reiner, Chef des Finanzdienstleisters Mercedes-Benz Mobility, sagte, Investoren seien derzeit nicht erpicht darauf, nach Europa zu kommen. "Deswegen müssen wir diesen Plan entwerfen und andere einladen, sich daran zu beteiligen."

BYD WILL KLEINWAGEN IN UNGARN BAUEN

Die Opel-Mutter Stellantis gründete zuletzt ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Leapmotor und sicherte sich dabei das Recht, die Leapmotor-Fahrzeuge außerhalb Chinas zu vertreiben. Zudem sollen Leapmotor-Fahrzeuge in Stellantis-Werken vom Band laufen. Damit baue das französisch-italienische Unternehmen sein Angebot günstiger Fahrzeuge aus. "Wir versuchen, selbst chinesisch zu werden", sagte Tavares. "Wir wollen Teil der chinesischen Offensive werden." Er schätzte das Marktpotenzial chinesischer Autobauer in Europa auf 1,5 Millionen Autos pro Jahr, was einem Marktanteil von zehn Prozent entspreche. Ungefähr zehn neue Werke dürften in Europa entstehen. "Wenn wir zulassen, dass der Marktanteil der chinesischen Autobauer wächst, dann ist es offensichtlich, dass Überkapazitäten entstehen."

Der chinesische Hersteller BYD baut ein Werk in Ungarn und will auf dem europäischen Markt vor allem mit Kleinwagen punkten. Penny Peng, BYD-Marketingchefin für Europa, sagte der Zeitschrift "Capital", das Fahrzeug im B-Segment solle 2025 auf den Markt kommen. Das Fahrzeug solle in Ungarn vom Band rollen und wäre damit nicht von den Zöllen betroffen: "Wir werden dann ein europäischer Hersteller", sagte Peng.

Bislang spielen Autos chinesischer Hersteller am europäischen Automarkt nur eine untergeordnete Rolle. Von Januar bis April setzte nach Berechnungen des Branchenverbands ACEA als größter chinesischer Autobauer SAIC gerade einmal 46.000 Fahrzeuge ab und kam damit auf einen Marktanteil von 1,4 Prozent - allerdings mit steigender Tendenz: Verglichen mit dem Vorjahr stieg der Absatz um gut ein Drittel.

(Bericht von Joe White, Chris Steitz, David Shepardson und Philip Blenkinsop, geschrieben von Christina Amann, redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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