EZB: Inflation geht in richtige Richtung

Berlin/Frankfurt (Reuters) - Zölle werden das Wirtschaftswachstum und die Preise in der Euro-Zone nach Einschätzung von EZB-Vizepräsident Luis de Guindos noch jahrelang belasten.
Doch die Gefahr einer zu niedrigen Inflation sei gering, sagte der Spanier in einem am Montag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Das Risiko, dass die Teuerung unter dem mittelfristigen Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent lande, sei sehr begrenzt. "Ich denke, die Inflation entwickelt sich in die richtige Richtung. Es gibt eine deutliche Verlangsamung, die auch durch die neuesten Daten bestätigt wird", sagte der Stellvertreter von EZB-Chefin Christine Lagarde. Die Inflationsrate im Euroraum war im Mai auf 1,9 Prozent und damit unter die EZB-Zielmarke gefallen.
"Mission erfüllt, signalisieren die aktuellen Preisdaten und Inflationsprognosen", sagte Bundesbankchef Joachim Nagel beim Frankfurt Euro Finance Summit. Er sei zuversichtlich, dass sich die Inflation nachhaltig bei zwei Prozent einpendeln und die EZB damit ihr mittelfristiges Inflationsziel erreichen werde. "Das gilt, auch wenn die Inflationsrate im nächsten Jahr vorübergehend unter zwei Prozent fallen kann, vor allem getrieben durch gesunkene Energiepreise." Ein dauerhaftes Unterschießen sei jedoch nicht wahrscheinlich. Dafür sei die zugrunde liegende Inflation und vor allem die Verteuerung der Dienstleistungen zu hoch.
Dennoch könnten die Währungshüter im EZB-Rat die Hände nicht in den Schoß legen. Vielmehr gelte es, Augen und Ohren hinsichtlich der Risiken für die Preisstabilität offenzuhalten: "Dies gilt auch angesichts der aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten." Noch lasse sich kaum beurteilen, wie sich die Lage nach dem Angriff Israels auf den Iran entwickeln werde: "Sollte es zu einem langanhaltenden, gravierenden Konflikt kommen, könnten beispielsweise die Ölpreise erheblich steigen", sagte Nagel. Die wirtschaftlichen Perspektiven könnten sich dann spürbar verändern - in Bezug auf die Konjunktur ebenso wie auf die Preise.
Bei der gegenwärtigen Unsicherheit, die auch mit Blick auf die US-Zollpolitik vorherrsche, empfehlen sich aus Sicht Nagels nach wie vor eine vorsichtige Geldpolitik und Kommunikation. "Die Unsicherheit ist schon viel zu groß. Der EZB-Rat sollte nicht noch selbst dazu beitragen." Vorfestlegungen seien nicht sinnvoll – weder auf eine neuerliche Zinssenkung noch auf ein Stillhalten der Geldpolitik: "Wir sollten weiter datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheiden und nichts überstürzen."
Die EZB entscheidet am 24. Juli wieder über den Leitzins. Dann könnte sich auch der Nebel mit Blick auf die Zollpolitik etwas verzogen haben. In Bezug auf den Stand der Handelsverhandlungen der EU mit den USA hinsichtlich der US-Zölle sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen jüngst, sie bevorzuge eine Verhandlungslösung vor dem Ablauf der Frist am 9. Juli. Die kürzlich von US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebrachte Verlängerung der Frist begrüßte sie jedoch.
"MÄRKTE HABEN LAGARDE VERSTANDEN"
Die Währungshüter der EZB hatten Anfang Juni auf ihrer Sitzung zum siebten Mal in Folge die Zinsen gesenkt. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, mit dem die Zentralbank ihre Geldpolitik steuert, wurde um einen Viertelpunkt auf 2,00 Prozent nach unten gesetzt.
EZB-Vize De Guindos plädierte zwar nicht explizit für eine Pause bei der geldpolitischen Lockerung. Er sagte aber, dass Finanzinvestoren, die nun auf nur noch eine weitere Zinssenkung - womöglich gegen Ende 2025 - setzten, die Botschaft von EZB-Präsidentin Lagarde richtig interpretiert hätten. "Die Märkte haben die Aussage der Präsidentin über die gute Ausgangslage sehr gut verstanden", erklärte de Guindos. "Ich denke, die Märkte glauben und berücksichtigen, dass wir unserem Ziel einer nachhaltigen Inflation von mittelfristig zwei Prozent sehr nahe sind."
(Bericht von: Balazs Koranyi, Francesco Canepa, geschrieben von Reinhard Becker und Klaus Lauer, redigiert von Kerstin Dörr - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)