Börsenweisheit: The Trend is your Friend

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Sie sind so etwas wie die „Trittbrettfahrer“ der Börse: die Trendfolger. Sie lassen Gewinne laufen und vermeiden Verluste. Soweit die Theorie. Aber funktioniert das überhaupt?

Es ist wohl der Traum aller Anleger: immer auf der richtigen Seite zu stehen. Dabei zu sein, wenn die Kurse steigen, und der Börse rechtzeitig den Rücken zu kehren, wenn es abwärts geht. Wer den Trend erkennt, hat an der Börse schon gewonnen. Nicht umsonst lautet einer der bekanntesten Börsenweisheiten „The Trend is your Friend“.

Trendfolger sind eine Art Trittbrettfahrer der Börse. Sie analysieren Aktiencharts und Börsenumsätze, suchen nach Indikatoren, die auf einen neuen Trend oder die Umkehr eines bestehenden Trends hinweisen. Solche Modelle sind streng mathematisch und schalten jegliche Emotionen aus.

Experten können der Trendfolge und damit auch der alten Börsenweisheit einiges abgewinnen. Die Analyse verschiedener Kursentwicklungen von einzelnen Aktien oder Aktienindizes zeigt, dass in der Vergangenheit immer wieder Trends vorhanden waren. Aber: „Nicht in jeder Marktphase ist ein klarer Trend erkennbar“, gibt Nermin Aliti, Leiter Fonds Advisory und Produktmanagement bei Laureus Privat Finanz, zu bedenken. Grundsätzlich würde die alte Weisheit aber stimmen. Auf eine ähnliche Börsenregel verweist Christoph Geyer: Ein Trend ist solange intakt, bis er gebrochen wird. „Tatsächlich ist eine wichtige Regel der technischen Analyse, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestehender Trend auch weiterhin Bestand hat, sehr hoch ist“, sagt der technische Analyst im Chief Investment Office der Commerzbank. „Die entscheidende Frage bei solch lang laufenden (Aufwärts-) Trends ist immer der richtige Zeitpunkt des Einstiegs.“ Lange Trends würden meistens Korrekturbewegungen bieten. Nach dem Abschluss solcher Korrekturen könnten Anleger dann einsteigen.

Doch wie erkennt man einen Trend? Recht einfach, nämlich mit Hilfe der technischen Chartanalyse. „Vereinfacht ausgedrückt, können Anleger durch das Einfügen von Linien - im Fachjargon als Unterstützungen, Widerstände und beispielsweise Trendkanäle bezeichnet  -  gewisse Trends erkennen“, sagt Aliti. Geyer verweist auf Charles Henry Dow, den Begründer der technischen Analyse, der die einfachste Regel definiert habe: „Ein Aufwärtstrend ist eine Abfolge von steigenden Hochs und steigenden Tiefs, und ein Abwärtstrend ist eine Abfolge von fallenden Hochs und fallenden Tiefs.“

Momentum-Strategie für Trendfolger

Deutlich schwieriger ist es aber, eine Trendumkehr frühzeitig zu erkennen. „Ein zeitnahes Ende eines Trends zu identifizieren ist nicht nur unglaublich schwierig, sondern gelingt auch nur sehr selten“, sagt der Laureus-Experte. Die Börsenweisheit heiße aus gutem Grund: The trend is your friend. „In diesem Sinne sollten die Anleger so lange mit dem Trend mitgehen, bis dieser tatsächlich durchbrochen ist“, ergänzt er. „In einem Aufwärtstrend wäre dies der Fall, wenn etwa unter anderem eine Unterstützungslinie nach unten durchbrochen wird.“ Geyer findet es gar nicht so schwierig, Trendwenden zu erkennen. „Für das Erkennen von Trendwenden bietet die technische Analyse zahlreiche Möglichkeiten“, sagt er. Es gebe zahlreiche Formationen, die eine Trendwende anzeigen würden.

Oft wird übrigens die Momentum-Strategie mit dieser Börsenweisheit erklärt. Das Momentum beschreibt die Stärke der Kursbewegung. Bei der entsprechenden Strategie werden Aktien oder Indizes gekauft, die ein positives Momentum haben -  deren Kurse also steigen und idealerweise an Fahrt gewinnen. „Damit würde also der Trend bestätigt oder gar beschleunigt. Insofern kann diese Strategie funktionieren“, sagt Aliti. „Die weitere Entwicklung sollte jedoch genauesten beobachtet werden. Denn: Ein Trend kann auch schnell umkehren.“

Derzeit haben es die Trittbrettfahrer gar nicht so einfach. „Aufgrund der aktuell sehr politisch getrieben Börsen ist es unglaublich schwierig, einen klaren Trend zu erkennen“, sagt Aliti. „Derzeit geht es vielmehr darum, die Entwicklungen rund um Frühindikatoren, Wirtschaftswachstum, Notenbanken und eben politischen Ereignisse zu verfolgen und sich eine fundamentale Meinung zu bilden.“ Das zeige, dass die Trendanalyse alleine auch nicht funktionieren könne, sondern parallel dazu auch eine professionelle Fundamentalanalyse gefragt sei. Commerzbank-Analyst Geyer sieht die Märkte in einer Findungsphase. „Teilweise sind die sehr langen Aufwärtstrends noch intakt, während die meisten Märkte schon seit einigen Wochen oder Monaten in mittelfristigen Abwärtstrends sind“, sagt er. Allerdings komme es immer auf den Betrachtungszeitraum an. „Ein Kurzfristanleger würde aktuell vermutlich von einem intakten Aufwärtstrend sprechen, ein Langfrist-Investor macht sich derzeit sicher Gedanken, ob der Aufwärtstrend wackelt“, ergänzt er. Ob er sich umkehrt, werden die nächsten Wochen und Monate zeigen. Und solange heißt es: The Trend is your Friend. Auch wenn es natürlich nicht immer möglich ist, auf der richtigen Seite zu stehen. Wer aber Trends zumindest relativ früh erkennt, lässt Gewinne laufen und begrenzt seine Verluste.

Autorin: Jessica Schwarzer

Bild: OtmarW / Shutterstock.com

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