Das beste Zitat der aktuellen Berichtssaison

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Investor und Fondsmanager Steven Wood bezeichnet die aktuelle Berichtssaison als „eine höchst informative und irrelevante Berichtssaison.“

Irrelevant deswegen, weil man jetzt schon weiß, dass die Geschäfte der meisten Unternehmen leiden werden - da es ihnen einfach nicht möglich war, ihr Geschäft normal zu führen.

Aber sie ist auch höchst informativ. Und zwar dahingehend, wie ein Unternehmen mit der Krise umgeht. Insbesondere: Managed es nicht nur die Risiken, sondern versucht es auch die Chancen wahrzunehmen, die sich bieten?

Gleich komme ich zu zwei Beispielen von Unternehmen, die meiner Einschätzung nach genau das tun - einem schweizerischen und einem österreichischen Unternehmen. Zuerst aber ein Beispiel eines Unternehmens aus der Schweiz, das bereits vor der Krise etwas getan hat, das ihm während dieser stark geholfen hat - und für das es in der Vergangenheit jedoch oft kritisiert wurde.

Es handelt sich um den Uhrenproduzenten Swatch und dessen Working Capital Strategie.

Warum die Working Capital Strategie relevant ist

Das Working Capital ist das Umlaufvermögen eines Unternehmens. Das Umlaufvermögen ist das Vermögen, das übrig bleibt, wenn man alle kurzfristigen Verbindlichkeiten (wie ausstehende Zahlungen an Lieferanten) von allen kurzfristigen Vermögensgegenständen (wie von Kunden ausstehende Zahlungen oder Warenbestände) abzieht. Es kann negativ oder positiv sein.

Aldi wird oft für sein deutlich negatives Umlaufvermögen gelobt. Und das macht auch Sinn, denn es bringt dem Unternehmen praktisch eine kostenlose Finanzierung.

Das funktioniert so:

Das Unternehmen erhält die Waren von seinen Lieferanten.Die Waren werden praktisch sofort in die Regale gestellt.Dort liegen sie nur ganz wenige Tage, bis die Kunden sie entnehmen.Aldi erhält das Geld seiner Kunden (praktisch sofort).Aldi bezahlt seine Lieferanten erst Wochen nach der Lieferung.

Aldi muss für die Waren seiner Lieferanten also erst Wochen später bezahlen, während man für dieselben Waren bereits Geld von seinen Kunden erhalten hat. Dieses Geld steht Aldi in der Zwischenzeit nicht nur zur Verfügung, um Zinsen damit zu verdienen (OK, in der heutigen Zeit wahrscheinlich nicht mehr so gut) - man braucht vor allem aber nicht so viel Geld für das Wachstum.

Das beste Zitat

Bei Swatch ist es andersherum. Das Unternehmen hat ein relativ hohes Umlaufvermögen, was genau den gegenteiligen Effekt hat: Es ist immer Kapital gebunden, das nicht anderweitig verwendet werden kann, und um zu wachsen, muss man zusätzliches Kapital für das Umlaufvermögen einplanen.

Der Grund für diese Strategie ist in der Stabilität der Produktions- und Vertriebsabläufe zu finden. Beim Just-in-Time-Gedanken zum Beispiel (sozusagen das Gegenteil des Swatch-Ansatzes) muss immer das richtige Teil zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.

Swatch wurde für seine Working Capital Strategie laut Unternehmenschef Nick Hayek in der Vergangenheit regelmäßig kritisiert, weil sie eben nicht für Kapitaleffizienz steht.

Dafür steht sie jedoch für etwas anderes, das sich in dieser Krise auszahlte: Stabilität.

Denn mit Just-in-Time-Produktion und Vertrieb wären viel schwierigere Störungen aufgetreten, und es wäre keine so starke Erholung der Geschäfte direkt nach dem Lockdown (zum Beispiel in China) möglich gewesen. Das Kommentar von Nick Hayek dazu war:

„You know what this is called? A long term strategy.“„Wissen Sie, wie man das nennt? Eine langfristige Strategie.“

Das war ein kleiner Seitenhieb gegen Analysten, die sehr häufig eher kurzfristig denken.

Worauf ich in dieser Berichtssaison achten würde

Die aktuelle Berichtssaison liefert eine wunderbare Möglichkeit, eine Einschätzung zu treffen, inwiefern ein Management wirklich langfristig denkt und handelt. Werden in erster Linie die (auch sehr oft notwendigen) Kostensenkungsmaßnahmen in den Vordergrund gestellt? Oder werden im Quartalsbericht auch die Maßnahmen betont, die das Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen lassen können?

Auch wenn nicht jedes Unternehmen ähnlich große Möglichkeiten hat, lohnt es sich, darauf zu achten.

Zwei positive Beispiele

Zwei lobenswerte Beispiele diesbezüglich sind meiner Ansicht nach der österreichische Gourmet-Spezialist DO&CO (WKN:915210) und die Schweizer Industrie-Holding Metall Zug (WKN:A0Q221).

DO&CO ist aufgrund seiner Fokussierung auf Fluglinien, Veranstaltungen und Restaurants überdurchschnittlich negativ von dieser Krise betroffen. Das hat das Management jedoch nicht davon abgehalten, sich Gedanken über die Chancen in der Krise zu machen.

Trotz aller notwendigen Einschränkungen hat man unter anderem neue Geschäftsmodelle auf den Weg gebracht, die in und auch nach der Krise für Wachstum sorgen können - insbesondere Geschäftsmodelle, bei denen man direkt den Endverbraucher anspricht, was man vorher noch nicht getan hat.

Bei Metall Zug ist die Situation nicht ganz so kritisch. Aber auch die verschiedenen Geschäftsbereiche des Industrieunternehmens leiden teilweise stark. Das hindert das Unternehmen aber nicht daran, in diese zu investieren. Unter anderem wurden gerade jetzt in der Krise sogar Übernahmen getätigt, die die Geschäftsmodelle in Zukunft verbessern können.

Erfolg nicht garantiert, aber …

Ob solche Innovationen und Investitionen am Ende auch wirklich erfolgreich werden, ist nicht garantiert. Aber es ist ein Zeichen der Stärke, dass ein Unternehmen auch in einer solch außerordentlichen Krise Ressourcen aufbringen kann, sein eigenes Geschäft noch besser aufzustellen - anstatt sich lediglich auf Krisenbewältigung in Form von Kostensenkungsmaßnahmen zu konzentrieren.

Offenlegung: Bernd besitzt keine der erwähnten Aktien. The Motley Fool empfiehlt Aktien von Metall Zug.

Foto: Pressmaster / Shutterstock.com

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