Devisen: Experte sagt dem US-Dollar eine düstere Zukunft voraus – 35 Prozent Abwertung steht bevor

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Der Euro ist am frühen Dienstagnachmittag unter die Marke von 1,13 US-Dollar gerutscht. Die Gemeinschaftswährung büßte damit anfängliche Gewinne ein und notierte zuletzt bei 1,1296 Dollar. Im frühen Handel war der Euro noch bis auf 1,1353 Dollar geklettert. Insgesamt aber hielten sich die Kursbewegungen in Grenzen, zumal der Euro bereits am Montag deutlich zugelegt hatte. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Montagnachmittag auf 1,1253 Dollar festgesetzt.

Am Montagabend hatten zunächst zusätzliche Unternehmenshilfen der US-Notenbank Fed Konjunkturhoffnungen geweckt und so die Gemeinschaftswährung über 1,13 Dollar gehievt. Zuletzt jedoch trübten geopolitische Sorgen wieder etwas die Stimmung, nachdem Nordkorea nach südkoreanischen Angaben das innerkoreanische Verbindungsbüro in der Grenzstadt Kaesong gesprengt hatte. Das Verbindungsbüro diente als wichtiger Kommunikationskanal zwischen beiden Staaten. Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel schaukeln sich derzeit wieder hoch.

Erfreuliche Wirtschaftsnachrichten aus Deutschland fanden derweil am Aktienmarkt kaum Beachtung. Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten verbesserten sich im Juni bereits den dritten Monat in Folge. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, fand jedoch auch mahnende Worte. Seiner Meinung nach wird es der deutschen Volkswirtschaft nicht gelingen, rasch an den Wachstumspfad der Vor-Corona-Zeit anzuknüpfen. Verbraucher und Unternehmen seien stark verunsichert. Wie die jüngsten Entwicklungen in China zeigten, lasse sich eine zweite Infektionswelle kaum vermeiden.

Am Devisenmarkt richtet sich der Fokus am Nachmittag auf die anstehenden Einzelhandelsdaten aus den USA für den Monat Mai. Sie könnten dem Eurokurs ebenso Schwung verleihen wie die im weiteren Handelsverlauf erwarteten Aussagen von US-Notenbankchef Jerome Powell bei seiner halbjährliche Anhörung vor dem Kongress.

Ex-Morgan-Stanley-Analyst sieht düstere Zukunft für den Dollar

Langfristig könnte es jedoch zu massiven Verwerfungen an den Devisenmärkten kommen und den Dollar gegenüber den wichtigsten anderen Währungen stark nach unten drücken. So sieht es zumindest der ehemalige Vorsitzende von Morgan Stanley Asia, Stephen Roach. Gegenüber dem US-Nachrichtendienst CNBC hat er seine Ansicht geäußert, dass auf den Dollar sehr schwere Zeiten zukommen werden und er gegenüber den wichtigsten anderen Währungen um bis zu 35 Prozent fallen könnte.

„Die US-Wirtschaft ist seit langem von einigen erheblichen makroökonomischen Ungleichgewichten betroffen, nämlich einer sehr niedrigen inländischen Sparquote und einem chronischen Leistungsbilanzdefizit“, sagte er am Montag gegenüber CNBC. „Der Dollar wird sehr, sehr stark fallen. Diese Probleme werden immer schlimmer, wenn wir das Haushaltsdefizit in den kommenden Jahren weiter aufblasen.“ „Gleichzeitig entfernt sich Amerika von der Globalisierung und konzentriert sich darauf, sich vom Rest der Welt zu entkoppeln“, sagte Roach. „Das ist eine tödliche Kombination.“ Auch ein Zeitfenster für den Absturz des Greenbacks nennt er: in den nächsten ein bis zwei Jahren soll es bereits zur Realität werden.

Kurzfristig bietet eine Währungsabwertung natürlich immer auch Vorteile, da exportierte Waren an Käufer im Ausland billiger angeboten werden und somit die Verkäufe ankurbeln. Andererseits werden jedoch auch die importierten Waren teurer, da die Kaufkraft des Dollars sinkt. Sollte der Dollar zudem zu schwach werden, würde das seinen Status als Weltleitwährung ernsthaft gefährden und den USA eine ganze Reihe von Folgeproblemen einbrocken.

Die enorme Staatsverschuldung zum Beispiel trägt sich im Wesentlichen nur dadurch, dass der Dollar eben die globale Währung Nummer eins ist und die Nachfrage nach Anleihen enorm bleibt. Nur so kann Amerika die immer neuen notwendigen Schulden weiter finanzieren. Roach sagte bereits in der letzten Woche gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg, dass die „Ära des exorbitanten Privilegs“ des US-Dollars als Weltreservewährung der Welt dem Ende entgegen geht. Die durch die Corona-Pandemie nötigen, noch hinzu kommenden extremen Ausgaben verschärfen das Problem der Haushaltsschulden weiter.

Bisher ist die Rolle des Dollars noch stark, ein Großteil der Transaktionen an den Finanzmärkten werden in Dollar abgewickelt und ebenso lautet ein Großteil der Schulden auf Dollar. Doch die zunehmende Entkoppelung schaden dem Status der USA als wirtschaftlicher Taktgeber und somit auch dem Status des Dollar als wichtigste Weltwährung.

Profitieren könnte vielleicht der Euro, als eine der größten Währungen hinter dem Dollar, aber wahrscheinlich viel mehr noch der chinesische Yuan, der mehr und mehr an Bedeutung auf den internationalen Devisenmärkten gewinnt. Vor der Eskalation des Handelsstreits hatte China bereits damit begonnen, die eigenen Finanzmärkte und auch die eigene Währung der restlichen Welt gegenüber mehr zu öffnen. Hinzu kommen noch weitere Bestrebungen, sich vom US-Dollar zu lösen, um die eigene Währung und die Wirtschaft unabhängiger von den USA zu machen. Der Handelskrieg hat diese Dinge noch beschleunigt.

onvista-Redaktion/dpa-AFX

Titelfoto:  Noska Photo / Shutterstock.com

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