Drei Fragen an Bernecker: Wird die anstehende Berichtssaison zur Belastungsprobe und wie sieht es mit Überfliegern und Absturzkandidaten für 2020 aus?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach der Aussicht auf die nächste Berichtssaison, Absturzkandidaten und möglichen Überfliegern für das Jahr 2020.

onvista-Redaktion: Das Jahr ist direkt turbulent gestartet, mit einer neuen Eskalation des Konfliktes im Nahen Osten. Die Märkte haben wie zu erwarten gezuckt, eine Panik ist jedoch nicht ausgebrochen. Bald stehen jedoch auch die Quartalsberichte für das vierte Quartal 2019 an - Könnte das, im Zusammenspiel mit wachsenden Spannungen zwischen Iran und den USA, zur wahren Belastungsprobe für die Märkte werden? Denn: Die Kluft zwischen Kursentwicklung und Gewinnentwicklung vor allem bei US-Werten ist so groß wie selten.

Der positive Blitzstart am ersten Handelstag des Jahres wurde von den neuen Nachrichten aus Nahost abrupt abgebrochen. Solange der Nahe Osten ein politisches Problemfeld bleibt, werden alle Märkte in den nächsten Wochen ihre Mühe haben, im Gleichgewicht zu bleiben. Eine Panik wird es nicht. Aber: Die erheblichen Marktgewinne bis Jahresende bedürfen einiger Korrekturen. Das steht ab der kommenden Woche mit der Berichtssaison an und die erste Messlatte dafür liefern die amerikanischen Großbanken heute, Freitag. Die ersten fünf verdienen das Doppelte von dem, was die ersten zehn in Europa verdienen.

Die amerikanischen Gewinnbewertungen bleiben zweifelhaft. Es gibt einen statistischen Durchschnitt und einen gewichteten Durchschnitt für das KGV, insbesondere im breiten S&P 500 und dem Nasdaq. Dazu nur so viel: Eine extreme Überbewertung besteht nicht. Ausnahmen sind dann die Bestätigung der Regel. Jedenfalls liegt darin kein größeres Risiko. Im Übrigen: Eine wirkliche Baisse-Periode wird stets in der Finanzindustrie ausgelöst und nie in der realen Wirtschaft.

onvista-Redaktion: Mit Varta ist zu Jahresbeginn einer der größten Überflieger von 2019 wieder ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückgefallen - Grund ist die Sorge vor wachsendem Konkurrenzdruck - Gibt es weitere Kandidaten, deren Überbewertung bald Tribut fordern könnte?

Überzogene Bewertungen bedürfen der Korrektur. Wirecard hat das schon mal vorgemacht. Varta wurde zuletzt mit 4,8 Mrd. € bewertet oder dem 7- oder 8-Fachen des Umsatzes in Sachen Batterien. Die Story stimmt, aber die Korrektur hat schon begonnen. Solche Differenzen sind nicht nachhaltig tragbar. An der Qualität des Kerngeschäftes von Varta ändert sich nichts. Es gibt noch einige Fälle wie Wirecard und Varta, die dem gleichen Modell folgen. Am Mittwoch startete Varta mit minus 22 %.

onvista-Redaktion: Das Jahr ist noch frisch und da stellt sich natürlich die Frage: Wo sehen Sie die größten Favoriten für das Jahr 2020? Könnten die Verlierer des Vorjahres wie Wirecard, Thyssenkrupp oder die Lufthansa als Nachzügler interessant sein? Oder haben Sie weitere interessante Werte im Auge, die unsere Leser nicht auf dem Schirm haben?

Die Auswahl der Favoriten am deutschen Markt fällt für das neue Jahr etwas schwieriger aus. Unter den zwei wichtigsten Branchen ist der gesamte Autosektor (Autobau und Zulieferung) mit der größten Herausforderung, die es für eine deutsche Industrie seit dem letzten Kriege gegeben hat. Was die Autobauer also erreichen, wird ein Maßstab werden. Bis zu den alten Höchstkursen sind es noch gut 40 %. Das ist die Performance-Wette.

Der absolut schlechteste Sektor sind die Banken, die schon kaum ein Comeback-,  sondern nur noch eine Turnaround-Spekulation darstellen. Sie sind deshalb eine Wette und noch keine griffig zu belegende Ausgangslage für eine solide Bewertung. Es ist gleichwohl die wahrlich dramatische Konstellation vor einer demnächst neuen Einschätzung der Zinslage in Deutschland/Europa.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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