Europas Börsen legen Bruchlandung hin – Wie geht es jetzt weiter? Analysten fürchten Kreditrisiken

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

An den europäischen Börsen hat am Montag Panik um sich gegriffen. Anleger flüchteten im großen Stil aus Aktien in sicherere Häfen. Dabei paarte sich ein Ölpreis-Crash mit der nicht abebbenden Viruskrise. Der EuroStoxx 50 brach am Vormittag um 5,8 Prozent auf 3043,38 Punkte ein auf das tiefste Niveau seit Januar 2019. Der Pariser Cac 40 fiel um 6,1 Prozent auf 4824,65 Zähler und der Londoner FTSE 100 sackte um 5,8 Prozent auf 6089,84 Punkte ab. Der Dax musste in der Spitze gar um 8 Prozent abgeben, konnte sich jedoch bis zum frühen Mittag wenigstens stabilisieren und liegt nun noch mit 6,5 Prozent im Minus, bei 10.791 Punkten.

Die ausgebrochene Panik sorgt für extreme Volatilität. Der V-Dax, der eben jene darstellt, hat den größten Kurssprung seiner Geschichte erlebt und ist im Peak um knapp 57 Prozent auf 62,6 Punkte gesprungen. Der Eurokurs ist zudem zeitweise auf den höchsten Stand seit über einem Jahr gestiegen. Der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung kletterte im frühen Handel bis auf 1,1495 US-Dollar. Dies war der höchste Stand seit Februar 2019. Am Vormittag notierte er aber wieder tiefer bei 1,1375 Dollar.

Auch gegenüber dem Yen und dem schweizer Franken musste der Greenback stark abgeben.

Die Coronavirus-Krise hält die Märkte jetzt seit Wochen in Atem, doch jetzt kam noch ein weiterer Auslöser dazu: Nach gescheiterten Verhandlungen führender Ölstaaten über eine Drosselung der Fördermenge gab es am Montag am Ölmarkt den stärksten Einbruch seit fast 30 Jahren. Am vergangenen Freitag konnten sich die Verhandlungspartner des Ölkartells Opec und mit ihm verbündete Staaten auf keine neue Vereinbarung einigen. Zeitweise sackten die Ölpreise um 30 Prozent ab, zuletzt noch um mehr als ein Fünftel.

Analysten fürchten sich vor massiven Kreditrisiken

Börsianer zeigten sich besorgt vom Kursrutsch, den Marktexperte Jochen Stanzl am Montag in einem Kommentar mit dem „Lehman-Moment“ zu Zeiten der Finanzkrise verglich. Bedenken hegt der Experte vor allem an der Intensität des Einbruchs beim Rohöl. „Immer wenn es zu abrupten Preisanpassungen kommt, droht ein Kreditrisiko, da sich niemand auf so etwas vorbereiten konnte“, gab Marktexperte Jochen Stanzl von CMC Markets zu bedenken.

Joachim Fels, global Investmentstrategist der auf Anleihen spezialisierten Investmentgesellschaft Pimco, hat bereits am Sonntag in einer Kundenmitteilung gewarnt: Er sagte, sowohl die USA als auch Europa stünden im ersten Halbjahr vor der „eindeutigen Möglichkeit“ einer technischen Rezession, da die Investoren angesichts der anhaltenden Ausbreitung des Coronavirus in sichere Häfen strömen. Fels sagte, dass er unter der Annahme, dass der Ausbruch des Coronavirus in den nächsten zwei Monaten seinen Höhepunkt erreicht, davon ausgeht, dass die Rezession nur von kurzer Dauer sein wird. Eine Erholung könnte in der zweiten Jahreshälfte folgen, aber er sagte, er sei „besorgt über mögliche Risse im US-Kreditzyklus in einem Umfeld schwindender Unternehmens-Cashflows, was zu einer starken Verschärfung der Finanzbedingungen führen könnte, die sich auf die Realwirtschaft auswirken. ”

„Die Verunsicherung ist hoch und die Perspektiven für Konjunktur und Märkte schwer abzuschätzen, zumal jetzt noch die Ölpreise kräftig fallen, nachdem sich die Opec und Russland nicht auf eine Förderkürzung einigen konnten“, erklärten Analysten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). „Obwohl in China die Infektionszahl ein Plateau erreicht zu haben scheint, rollt die Corona-Welle weiter und noch ist nicht abzusehen, wann dies ein Ende hat.“

Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann hält bei größeren Verwerfungen an den Finanzmärkten auch einen noch deutlicheren Rückgang des Dollarkurses für möglich. „Das große, langfristige Problem des Dollar könnte auf’s Trapez kommen, die Auslandsverschuldung der US-Volkswirtschaft“, heißt es in einem Kommentar. Es sei in einem extremen Szenario nicht ausgeschlossen, dass der Eurokurs über 1,30 Dollar steigt, so Leuchtmannn.

Märkte setzen auf die FED

Nachdem die Zinssenkung der FED in der letzten Woche genau bei den Erwartungen der Märkte lag und daher keine großen Impulse setzen konnte, rechnen die meisten Marktteilnehmer nun fest mit weiteren, massiven Interventionen der US-Notenbank. Daten der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge wird mit einem Schnitt um weitere 75 Basispunkte gerechnet. Der Leitzins wäre dann auf dem Niveau von 2015. Viele rechnen sogar mit einem Zins von Null bis Jahresende. Pimco-Analyst Joachim Fels sieht beispielsweise eine „eindeutige Möglichkeit einer Rückkehr auf Null und einer Wiederaufnahme der Käufe von Vermögenswerten“.

Für den Bankensektor wäre dies natürlich ein weiterer Genickschlag, da es in diesem Umfeld noch schwieriger wäre, Gewinne mit Kreditgeschäften zu erzielen. Der europäische Bankenmarkt hat bereits entsprechend auf die Markterwartungen reagiert.

Der europäische Bankenindex ist um 8,3 Prozent in die Knie gegangen, die Commerzbank hat heute 9,3 Prozent verloren und das Allzeittief weiter ausgebaut. Die Deutsche Bank musste mit minus 12,3 Prozent am meisten bluten und ist ebenfalls auf einem historischen Tief.

onvista-Redaktion/reuters/dpa-AFX

Titelfoto: Who is Danny / Shutterstock

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