Habeck lässt längere AKW-Laufzeit prüfen - Aber große Skepsis

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Berlin (Reuters) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schließt angesichts der sich zuspitzenden Konfrontation des Westens mit Russland längere Laufzeiten von Kohle- und Atomkraftwerken in Deutschland nicht aus. Eine weitere Nutzung der Atomenergie in Deutschland werde er nicht "ideologisch abwehren", sagte der Grünen-Politiker in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Sein Ministerium prüfe dies.

Die drei großen Betreiber von Atomkraftwerken hätten aber jüngst erklärt, dass ein Weiterlaufen für den Winter 2022/2023 nicht helfe, sagte Habeck. Denn die Vorbereitungen der Abschaltung seien schon so weit fortgeschritten, "dass die Atomkraftwerke nur unter höchsten Sicherheitsbedenken und möglicherweise mit noch nicht gesicherten Brennstoffzulieferungen weiterbetrieben werden könnten". Das wolle man sicher nicht. Die Frage eines Weiterbetriebs sei für die Frage der Energiesicherheit relevant: "Ich würde sie nicht ideologisch abwehren, aber die Vorprüfung hat ergeben, dass sie uns nicht hilft."

Die drei deutschen Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW hatten am Samstag die Idee einer Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke zurückgewiesen.

Habeck bekräftigte, dass man dank Reserven für den laufenden Winter und den Sommer auf russisches Gas verzichten könnte. Für den nächsten Winter müsse man die Einkaufsstrategie aber noch deutlich ausweiten. "Und der wichtigste Schritt wäre natürlich dann, den Gashunger möglichst zu reduzieren." Dann wäre man auch weniger abhängig von russischen Gas-Lieferungen.

Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff (CDU) hatte der "Welt" gesagt, der von der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP geplante Kohle-Ausstieg bis zum Jahr 2030 sei wegen des Ukraine-Kriegs "Makulatur". Jeder Schritt der Klima-Politik in diese Richtung sei ein Punkt für den russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Als Alternative zu russischem Gas sieht Habeck die Einfuhr von Flüssiggas (LNG) oder die Nutzung von Kohlekraftwerken. Langfristig gehe an alternativen, erneuerbaren Energien aber kein Weg vorbei. "Länger laufen lassen, heißt längere Abhängigkeit von Steinkohle, möglicherweise auch aus Russland." Er wolle aber nicht ausschließen, dass das notwendig sein könne. Man prüfe alle Reserven. "Es gibt keine Denktabus, aber der wirkliche Weg zur energiepolitischen Unabhängigkeit ist tatsächlich Ausstieg aus den fossilen Energien."

Zudem wolle man sich so aufstellen, dass man sich aussuchen könne, mit welchem Land man Energiepartnerschaften aufbaue - und sich womöglich von russischem Gas, Öl oder Kohle verabschiede. "Sollte Russland mutwillig diese Versorgung kappen, dann ist die Entscheidung natürlich getroffen", betonte Habeck. Solche Partnerschaften würden dann "nie wieder aufgebaut werden. Ich denke, das weiß der Kreml auch."

Ein E.ON-Sprecher hatte der "Rheinischen Post" gesagt, der Gesetzgeber habe vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft habe. "Ein Weiterbetrieb unseres Kernkraftwerks Isar 2 über den gesetzlichen Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema." EnBW erklärte, dass die Anlage Neckarwestheim 2 spätestens am 31. Dezember 2022 endgültig abgeschaltet werde. "Die Frage nach der Verlängerung der Laufzeiten stellt sich für die EnBW nicht. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt." Der RWE-Konzern, der den Meiler Emsland betreibt, verwies auf eine frühere Aussage von RWE-Chef Markus Krebber, der gesagte hatte: "Das Thema Kernkraft ist in Deutschland vom Tisch. Kurzfristig wäre es gar nicht möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren."

(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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