Stock to Flow Ratio: Was ist das für ein Indikator und was bedeutet er für Assets wie Gold oder Bitcoin?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Bei Gold gibt es einen ganz bestimmten Indikator, den man für die Preisbewertung mit in seine Analysen einbeziehen kann. Diesen Indikator kann man auch bei der Kryptowährung Bitcoin anwenden, da dem Bitcoin von vielen Finanzmarktbeobachtern ähnliche Eigenschaften als Wertspeicher zugesprochen werden: Es handelt sich um die sogenannte „Stock to Flow Ratio“.

Was ist die Stock to Flow Ratio?

Stock steht für den Lagerbestand eines Rohstoffes, also der potenziell auf dem Markt erhältlichen Menge. Flow steht für die jährliche neue Produktionsmenge des Rohstoffes. Die Ratio, also das Verhältnis dieser beiden Werte, beschreibt den Zeitraum, den es bei der aktuellen Produktionsmenge (Flow) brauchen würde, bis der aktuell vorhandene Lagerbestand (Stock) erreicht ist.

Je höher diese Zahl ist, desto mehr Knappheit besteht bei der Versorgung mit diesem Rohstoff. Die Definition von Knappheit ist, dass etwas in der Natur schwer zu finden, oder schwer herzustellen ist. Das trifft beispielsweise auf Edelmetalle wie Gold zu, aber auch auf Bitcoin, für dessen (durch das Blockchain-Protokoll limitierte) Erzeugung man eine Menge Rechenleistung braucht.

Ein praktisches Beispiel für Gold: Die 2018 auf der Welt insgesamt geschürfte Menge an Gold betrug laut den Erhebungen des World Gold Council 3346,9 Tonnen (Flow = 3346,9 Tonnen). Die in der Geschichte der Menschheit jemals geschürfte Menge beträgt Stand Ende 2018 193.472,4 Tonnen (Das ist der Stock). Aus diesen beiden Werten ergibt sich somit eine Stock to Flow Ratio für Gold von knapp 58 Jahren (Stock dividiert durch den Flow).

Was sagt die Stock to Flow Ratio (am Beispiel Gold) aus?

Gold als Rohstoff ist nicht so selten wie man denkt, es wird in hohem Ausmaß gefördert und der industrielle Nutzen ist zudem gering, das heißt ein Großteil des jemals geschürften Goldes ist noch im Umlauf, weil es eher die Funktion eines Wertspeichers hat und nicht in einem Industrieprozess verbraucht wurde. Die meisten anderen Rohstoffe, die gefördert werden, werden in der Regel komplett für irgendwelche industriellen Zwecke/Produktionen verbraucht.

Gold hat also nicht so einen hohen Preis, weil es ein so seltener, viel benötigter Rohstoff ist, sondern weil die jährliche Produktion im Vergleich zum maximalen Bestand sehr gering ist. Es gibt also eine Knappheit bei der Versorgung mit neuem Gold. Das erzeugt einige Eigenschaften, die Gold als Wertspeicher attraktiv machen. Es verschafft Stabilität und Sicherheit, da ein Produktionsausfall oder eine plötzlich einsetzende Überproduktion auf den Gesamtbestand nur eine sehr geringe Auswirkung hätten, wenn man es mit anderen Rohstoffen vergleicht. Wenn beispielsweise ein signifikanter Teil der weltweiten Kupferproduktion ausfallen würde, hätte das massive Auswirkungen auf den Kupferpreis. Das geschürfte Kupfer wird nicht gelagert, sondern in der Industrie verwendet, das heißt die Fördermenge dient größtenteils der Bedarfsdeckung. Bricht die Produktion ein, fehlt der Rohstoff bald für die Produktion, weil er zur Neige geht. Das treibt den Preis nach oben.

Natürlich kommen noch weitere Faktoren hinzu, die Gold seine Eigenschaft als Wertspeicher verleihen: Es ist ewig haltbar; es hat eine hohe Wertdichte und damit auch geringe Lager- und Transportkosten im Vergleich zum Wert; Es kann einfach bearbeitet (und beispielsweise zu Schmuck oder Münzen gemacht) werden; es hat Qualitätsmerkmale, die eine Standardisierung möglich machen.

Während die meisten Rohstoffe also verbraucht werden, wird Gold gehortet. Das schafft durch die hohe Stock to Flow Ratio und den daraus resultierenden geringen Preisauswirkungen durch Produktionsveränderungen Vertrauen und somit einen Nutzen als Wertspeicher, der sich bei Gold über Jahrtausende auch durch den mittlerweile sehr hohen Stock und eben die lange Benutzung als Wertspeicher etabliert hat. Je höher also die Stock to Flow Ratio, desto geringer so gesehen auch die Inflationsgefahr.

Wodurch wird die Stock to Flow Ratio bei Gold am meisten beeinflusst?

Wenn der Goldpreis steigt, wie beispielsweise im Zuge der wachsenden Spannungen im Handelsstreit und der sich extrem verschärfenden Nullzins-Politik, dann ist ein weiterer Effekt, dass die Minen-Unternehmen versuchen, die Produktion zu erhöhen, da das Schürfen lukrativer wird. Die Kosten bleiben gleich, der Verkaufspreis ist höher, die Marge pro Goldunze steigt somit. Durch die höhere Produktion erhöht sich auch der Bestand schneller, jedoch steigt die Produktion bei Gold in höherem Maße, als der Bestand, da er über einen extrem langen Zeitraum eine enorme Größe im Vergleich zur jährlichen Produktionsmenge erreicht hat. Durch diesen Effekt sinkt die Stock to Flow Ratio wieder.

Durch die erhöhte Produktion steigt das Angebot, das die erhöhte Nachfrage bedient. Sollte eine Überproduktion erreicht werden, sinkt der Preis wieder, die Produktion geht entsprechend wieder zurück und die Stock to Flow Ratio geht wieder rauf. Bei Gold ist also die entscheidende Variable, die die Stock to Flow Ratio beeinflusst, die Produktionsmenge.

Stock to Flow Ratio beim Bitcoin

Beim Bitcoin ist die Produktion vollkommen anders geregelt. Das Protokoll hinter der Bitcoin-Blockchain bestimmt die Produktion und den maximalen Bitcoin-Bestand, der bei 21 Millionen festgelegt ist. Pro abgespeichertem Informationsblock wird immer eine bestimmte Menge an Bitcoin erzeugt (als Belohnung für die „Miner“, welche das Netzwerk betreiben). Ursprünglich waren das 50 BTC. Alle 210.000 Blöcke halbiert sich diese Menge automatisch. Die Erzeugung eines Blocks dauert immer annähernd 10 Minuten, das ist ebenfalls im Protokoll festgelegt. Daraus ergibt sich, dass sich die Produktion alle 4 Jahre halbiert, bis sie sich Null annähert. So kommt man auf den Wert von annähernd 21 Millionen Bitcoin.

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Die Produktion (Flow) kann beim Bitcoin also nicht beeinflusst werden. Momentan liegt die Erzeugung pro Block bei 12.5 Bitcoin (es gab bereits zwei Halbierungen). Dies ergibt eine jährliche Erzeugung von 657.000 Bitcoin (12,5 pro 10 Min -> 75 pro Stunde -> 1800 pro Tag -> 657.000 pro Jahr) Die bisher erzeugte Menge liegt bei 17,965 Millionen Bitcoin (Stand September 2019). Das ergibt eine Stock to Flow Ratio von 27,3 Jahren. Bei der nächsten Halbierung, die etwa im Mai 2020 stattfindet, reduziert sich die Jährliche Produktion also um die Hälfte auf 328.500 BTC. Das würde momentan eine Stock to Flow Ratio (SF) von 54,7 Jahren ergeben und sich somit sogar an die von Gold (58 Jahre) annähern. Da sich bis Mai 2020 der maximale Bestand an Bitcoin auch erhöht hat, wird die tatsächliche SF etwas niedriger sein, aber immer noch nahe an der von Gold liegen.

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Bisher hat sich der Bitcoin-Preis seit seinem Start im Jahr 2009 erstaunlich genau an eine über die Stock to Flow Ratio gelehnte Preis-Formel gehalten, mit den jeweiligen starken parabolischen Preisanstiegen, die nach den ersten beiden Halbierungen gefolgt sind und anschließender Angleichung zurück auf den Durchschnittswert.

Stock to Flow Ratio BTC Price Model     –         Quelle: digitalik.net

Die zwei bisher stattgefundenen „Halvings“ haben somit das Angebot jeweils halbiert. Ausgehend davon, dass die Bitcoin-Mining-Unternehmen ihre geschürften Bitcoin regelmäßig auf den Markt werfen, um Kosten zu decken und Gewinne zu erzielen, kann man darauf schließen, dass bei einer Halbierung des Angebots und gleichbleibender oder sogar weiter steigender Nachfrage  der Preis in die Höhe geht. Die historische Entwicklung, wie im Chart zu sehen, scheint das (zumindest in der Vergangenheit) zu bestätigen.

Was man bei dem Bitcoin-Halving-Stock-to-Flow-Modell beachten muss, ist jedoch, dass es die mögliche Preisentwicklung, wenn überhaupt, nur innerhalb des Bitcoin-Ökosystems wiederspiegelt. Ein externes Ereignis, wie beispielsweise ein Verbot für den Handel von Bitcoin, könnte den Preis massiv einbrechen lassen und, unabhängig von der Stock to Flow Ratio, da sich ein solches Ereignis extrem negativ auf die fundamentale Bewertung des Bitcoin auswirken würde - weil es beispielsweise die Nutzung von Bitcoin massiv erschweren würde. Generell sollte das Stock-to-Flow-Modell allein nicht als Basis für die Entscheidung in ein Investment in Bitcoin genommen werden, sondern nur als Teil-Aspekt der Analyse. Dieser Artikel soll lediglich als Veranschaulichung des Modells dienen.

Von Alexander Mayer

Titelfoto: Wit Olszewski / Shutterstock.com

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