Tui: Der schwere Weg aus der Krise – Analysten blicken sorgenvoll auf die fehlende Liquidität – Aktie kämpft um 3-Euro-Marke

onvista · Uhr

Nach einem verlustreichen Winter kämpft der weltgrößte Reisekonzern Tui in der Corona-Krise für die Rettung der wichtigen Sommersaison 2020. Tui-Chef Fritz Joussen will so möglichst bald wieder Urlauber zu Zielen im und am Mittelmeer bringen. Mit Blick auf die kommenden Monate bleibe die Lage unsicher, sagte der Manager bei der Zahlenvorlage am Mittwoch in Hannover. „Es gibt keine Zusagen, keine Planbarkeit, wann Flugreisen und Schiffsreisen aus Deutschland wieder möglich sind.“ Derzeit verliere der weltgrößte Reisekonzern jeden Monat eine dreistellige Millionensumme. Tausende Jobs sollen jetzt wegfallen.

Anleger an der Börse quittierten die Neuigkeiten zwischenzeitlich mit Kursverlusten. Um die Mittagszeit lag die Aktie mit rund 2,5 Prozent im Minus bei 2,925 Euro und damit unter der Marke von 3 Euro, die sie am Morgen zeitweise überschritten hatte. Im weiteren Handelsverlauf konnte der Kurs sich jedoch wieder an diese Marke heran tasten.

Seit dem Jahreswechsel hat das Papier rund drei Viertel an Wert verloren. Derzeit ist Tui an der Börse insgesamt weniger als 1,8 Milliarden Euro wert. Zur Zeit des Rekordhochs vom Mai 2018 waren es noch mehr als 12 Milliarden gewesen. Auch charttechnisch macht die Aktie kein gutes Bild. Sämtliche Trendlinien sind unterschritten. Solange kein neuer Impuls durch Lichtblicke im Tourismusgeschäft kommt, dürften die Anleger weiter skeptisch bleiben.

Fehlende Liquidität bereitet Sorge

Analyst Felix Schlueter von der US-Großbank Goldman Sachs sorgt sich vor allem um die Liquidität des Tui-Konzerns. Der herbe Rückgang der verfügbaren Barmittel von 3,1 Milliarden Euro Ende März auf nur noch 2,1 Milliarden am 10. Mai sei bedenklich. Ein möglicher weiterer Kapitalbedarf des Konzerns sei derzeit die größte Belastung für den Aktienkurs.

Tui-Chef Joussen erwartet, dass Reisen zu einzelnen Mittelmeerzielen wie den Balearen und Griechenland im Juli wieder starten können – und sich die Lage im kommenden Jahr und danach schrittweise normalisiert. „Spätestens im Jahr 2022 werden wir eine volle Erholung der Touristenzahlen sehen.“ So dürften die Erfahrungen mit Home Office und Videokonferenzen zwar auch nach der Krise zu weniger Geschäftsreisen führen. Zu Urlaubsreisen gebe es aber kaum eine Alternative: „Was wollen Sie sonst machen? Einen Film schauen?“ So sei es ein gutes Zeichen, dass sich bei den für 2021 freigeschalteten Buchungen eine Verdoppelung der Nachfrage abzeichne.

„Renaissance der Nichtflugziele“

Joussen hofft, im Sommer möglichst große Teile des im März fast komplett eingestellten Urlaubsgeschäfts wieder aufzunehmen. In welchen Ländern die Kunden tatsächlich Urlaub machen können, ist jedoch noch unklar. Noch ist das Tui-Programm zu 35 Prozent ausgebucht, doch weltweit gelten immer noch starke Reisebeschränkungen. „Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern“, hofft Joussen. Er rechnet mit einer „Renaissance der Nichtflugziele“ – also Urlaubsregionen, die die Menschen vor allem mit dem Auto ansteuern können.

Zu Zielen in Spanien und Griechenland gab sich vorsichtig optimistisch: Sofern die Infektionszahlen relativ gering blieben, gebe es „keinen Grund, dass man dort nicht hinreisen könnte“. Natürlich müsse dabei der Gesundheitsschutz Priorität haben. „Sommerurlaub in Europa kann jetzt schrittweise wieder möglich gemacht werden – verantwortungsvoll und mit klaren Regeln.“ Bisher sind bei Tui Deutschland alle Reisen bis 14. Juni abgesagt.

Große Umbaupläne, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen

Die Touristik gehört zusammen mit dem Luftverkehr und dem Gastgewerbe zu denjenigen Branchen, die die Pandemie am schwersten getroffen hat. Joussen will den Konzern nun dafür rüsten, in Zukunft wieder Geld zu verdienen und die in der Krise auflaufenden neuen Schulden zurückzuzahlen. „Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehen“, erklärte er. „Aber sie wird eine andere Tui sein und ein anderes Marktumfeld vorfinden als vor der Pandemie.“

Daher will der Vorstand die Verwaltungskosten um 30 Prozent drücken. 8000 Jobs sollen wegfallen oder gar nicht besetzt werden, dazu will Joussen die Digitalisierung weiter vorantreiben. Insgesamt solle das jährlich mindestens 300 bis 400 Millionen Euro bringen. Derzeit sind bei Tui Deutschland bereits viele Beschäftigte in Kurzarbeit.

Von Oktober bis März verbuchte der Konzern unter dem Strich einen Verlust von 892,2 Millionen Euro und steckte damit mehr als zweieinhalb Mal so tief in den roten Zahlen wie ein Jahr zuvor. Ab März schlug der Corona-Effekt voll auf die Branche durch. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern rutschte bei Tui um knapp 175 Prozent auf minus 828,7 Millionen Euro ab. Der Umsatz sank leicht um 0,6 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Verluste in dieser Zeit sind in der Branche an sich typisch, die Unternehmen verdienen ihr Geld vor allem im Sommer. Dieser bringt im laufenden Jahr wegen der Viruskrise aber besondere Probleme. Flüge und Kreuzfahrten sind ausgesetzt, viele Länder haben das öffentliche Leben eingeschränkt, die Gastronomie ist ebenfalls betroffen.

10 Punkte Plan für Hotels

Den Hotelbetrieb will Tui mit einem Zehn-Punkte-Plan schrittweise wieder aufnehmen. Dieser sieht zum Schutz vor Infektionen etwa vor, dass Kunden online einchecken können, Abstandsregeln greifen und die Kapazitäten von Restaurants und Teilnehmerzahlen von Sport- und Unterhaltungs-Events verringert werden. Urlaub in Deutschland dürfte bald wieder leichter möglich sein. Für Ferienwohnungen oder Campingplätze gibt es bereits Lockerungen. Auf Sylt und in Mecklenburg-Vorpommern sollen die ersten Tui-Hotels in den kommenden Tagen wieder öffnen.

Das Angebot will Tui in einigen Bereichen erweitern. Eine Option: „Wir werden Mini-Kreuzfahrten machen. Wir verlegen Schiffe nach Norddeutschland.“ Es gehe dabei um „Kurz-Kreuzfahrten in der Nordsee mit nur 1000 Gästen auf dem Schiff, um auch hier die Sicherheit zu gewährleisten“.

1,8 Milliarden Euro Kredit

Damit Tui in der Krise nicht das Geld ausgeht, hat sich der Konzern über die staatliche Förderbank KfW einen Kredit von 1,8 Milliarden Euro gesichert. Joussen stellte allerdings klar: „Es ist ein Kredit, es ist kein Geschenk, es muss mit Zinsen zurückgezahlt werden.“

Derzeit flössen monatlich 250 Millionen Euro an Barmitteln aus dem Unternehmen ab. Je länger der Reisestopp gelte, desto eher würden auch Kunden ihre Anzahlungen zurückfordern. Der Mittelabfluss könne dadurch noch um 100 bis 200 Millionen Euro steigen. „Insofern müssen wir möglichst schnell versuchen, unser Geschäft wieder aufzunehmen.“

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: turbo83 / schutterstock.com

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