Wall Street: Erneutes Blutbad am Mittwoch – Die Angst der Märkte wächst – Ist das ein Kontraindikator? Analyst: „Insider kaufen“

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Anleger an den US-Börsen haben am Mittwoch nach einem Erholungstag schon wieder panisch die Reißleine gezogen. Kurze Hoffnung im Handelskrieg mit China wich umgehend wieder der Konjunkturangst. Der Leitindex Dow Jones Industrial kam unter die Räder, am Ende fiel er um 3,05 Prozent auf 25.479,42 Punkte. 800 Punkte an einem einzigen Tag hatte er in diesem Jahr noch nicht verloren.

Warnsignal im Anleihenmarkt

Neue Konjunkturängste kamen vor allem wegen einer seltenen Situation am Anleihemarkt auf. Bei US-Renten gab es erstmals seit 2007 wieder vorübergehend eine „inverse Zinskurve“ zu beobachten, bei der langfristige Anleihen niedriger verzinst werden als kurzfristige. Dabei war die Rendite zehnjähriger Papiere niedriger als jene der zweijährigen.

Laut Analyst Bernd Krampen von der NordLB geschah damit etwas historisch Bemerkenswertes. „In der Vergangenheit war dies oftmals ein Vorbote für eine baldige Rezession“, so der Experte. Er führte dies auf eine Mixtur aus schlechten Nachrichten zurück, darunter die Sorgen um den Zollstreit und den Brexit sowie neuerdings die Unruhen in Hongkong.

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Viktor Shvets, Leiter Asien-Strategie für Macquarie Commodities und Global Markets, hält dieses Signal allein jedoch nicht für aussagekräftig, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur CNBC sagt. „Ich war schon immer der Ansicht, dass die Renditekurve absolut nichts vorhersagt. Was es Ihnen sagt, ist, dass Sie eine Rezession haben werden, wenn Sie nichts dagegen unternehmen. Wenn sie die Faktoren wie mangelnde Liquidität, fehlende Reflationsdynamik und De-Globalisierung von Handels- und Kapitalströmen wieder umkehren, dann dreht die Renditekurve auch ganz schnell wieder in die richtige Richtung. Rezession ist gleichbedeutend mit politischen Fehlern.“

Beruhigung kommt jetzt nur noch durch eine Lösung im Handelsstreit

Für die übrigen bedeutenden US-Indizes ging es vor diesen Hintergründen ebenfalls rasant nach unten. Der marktbreit aufgestellte S&P 500 fiel um 2,93 Prozent auf 2840,60 Punkte und der technologieorientierte Nasdaq 100 -Index verlor 3,08 Prozent auf 7490,13 Zähler.

Die Erholung vom Vortag ist damit an den US-Börsen wieder Geschichte. Angesichts drohender Preissteigerungen vor dem Weihnachtsgeschäft hatte die US-Regierung zwar am Dienstag die Einführung bereits angekündigter Strafzölle verschoben, doch viele Börsianer blieben auch hier nach den Erfahrungen der vergangenen Monate skeptisch. In der Nachlese machte sich nun auch eher die Auffassung breit, dass eine Lösung des Handelskonflikts mit solchen Maßnahmen nicht näher rückt.

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Ölpreis-Abschlag lässt Ölwerte leiden

Bei den Einzeltiteln gab es zur Wochenmitte recht wenig Kursbewegendes. Ölwerte litten mit deutlichen Abschlägen darunter, dass die Ölpreise am Mittwoch ihren Vortagsanstieg wieder revidierten. ExxonMobil waren im Dow mit einem Abschlag von vier Prozent unter den größeren Verlierern. Titel der Branchendienstleister Halliburton und Schlumberger fielen im S&P 500 um knapp beziehungsweise deutlich mehr als sechs Prozent.

Macy´s fallen auf 2010er Tief

Am breiten Markt sorgten vor allem die Papiere der Kaufhauskette Macy’s für Gesprächsstoff. Sie brachen nach vorgelegten Quartalszahlen um mehr als 13 Prozent auf den tiefsten Stand seit 2010 ein. Der Betreiber von mehr als 800 Warenhäusern in den USA hatte das Gewinnziel für das laufende Jahr gekappt und so branchenweit die Anleger verstimmt. Beim Wettbewerber JCPenney ging es für die Aktien um fast 5 Prozent bergab.

Mitten im drohenden Fall hat jemand auf steigende Kurse gesetzt

Die US-Investmentbanken Goldman Sachs und JPMorgan Chase & Co. hatten den Anlegern zuletzt geraten, Call-Optionen zu nutzen, um von einer Erholung der US-Aktienmärkte nach dem Ausverkauf in diesem Monat zu profitieren. Beide Banken haben auf Indexoptionen verwiesen, JPMorgan erinnerte an das eigene gegeben Jahresendziel für den S&P 500 von 3.200 Punkten, Goldman Sachs urteilt, dass eine relativ niedrige implizite Volatilität die Preise attraktiv gemacht habe.

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, hat wohl jemand auf den Rat der Banken gehört. Der größte Trade unter US-börsennotierten Kontrakten war am Mittwoch ein Call Spread, bei dem ein Investor anscheinend Calls auf einen Wert von 315 US-Dollar im Oktober gekauft und Calls im Wert von 320 US-Dollar im Oktober an den SPDR S & P 500 ETF verkauft hatte. Die Transaktion belief sich auf umgerechnet 11 Millionen Aktien und Positionen, sodass der ETF rund 10 Prozent zugelegt hat. Die Finanzierung erfolgte zum Teil durch den Verkauf eines Put-Spread von 270 bis 276 US-Dollar auf umgerechnet 1,1 Millionen Aktien. Bei vollständiger Ausübung der 315-Dollar-Calls könnte sich für den Anleger eine Nettoposition von rund 3,5 Milliarden Dollar ergeben.

Analysten bewerten den Vorgang aber auch als mögliche Absicherung für ein großes Portfolio von Short-Positionen, um einen schnellen Marktanstieg auszugleichen. Nach dem gestrigen Blutbad hat die Optionswette 3 Prozent im Wert einbüßen müssen.

Insider kaufen - Ist die negative Stimmung der Massen ein Kontraindikator?

Trotz der momentan unsicheren Marktlage und der Nervosität der meisten Anleger gibt es also auch einige, die auf steigende Kurse setzen. Kolumnist Michael Brush rät in einem Beitrag auf Marketwatch, auf die Bewegungen der Insider zu achten, die anscheinend nicht auf eine kommende Rezession setzen, sondern massiv nachkaufen, auch in Aktienwerte, die zyklisch reagieren und konjunktursensibel sind. Er nennt folgende Beispiele: „Einige bemerkenswerte Beispiele für hochkarätige, wirtschaftlich sensible Namen, bei denen Insider in großem Umfang einkaufen, sind: JPMorgan Chase, bei dem ein Direktor gerade 2 Millionen US-Dollar in die Aktie gesteckt hat; Ford, wo der Vorsitzende William Clay Ford Aktien im Wert von 7,9 Mio. USD kaufte; Chevron, bei dem ein Regisseur eine halbe Million Dollar gekauft hat; Dow, bei dem ein Direktor 1,3 Mio. USD in die Aktie gesteckt hat; Marriott Vacations Worldwide, wo CEO Stephen Weisz 335.000 USD an Aktien kaufte; und eBay, wo ein Direktor im Wert von fast einer Viertelmillion gekauft hat.“

Diese Käufe sind für ihn ein Signal des Vertrauens der Käufer in eine weiter starke Wirtschaft. Er nennt die Regel - wenn die Masse bärisch und die Insider bullisch sind, ist das ein Kaufsignal. Das würde nicht bedeuten, dass der Tiefpunkt am Aktienmarkt erreicht ist, aber das Signal ist für ihn dennoch klar: „Wir nähern uns dem Tiefpunkt und die Sorgen um die Wirtschaft sind übertrieben.“

Momentan stehen zwar die meisten Indikatoren auf rot, aber entscheidend wird sein, wie die Notenbanken und die Regierungen auf die schwächelnde Wirtschaft reagieren. Im Status Quo flaut die Wirtschaft weiter ab. Doch sollte überraschend eine Lösung im Handelsstreit gefunden werden, oder die Zentralbanken die Geldschleusen weit aufdrehen, könnte das den Märkten einen enormen Boost verschaffen und die fundamentale Konjunktur ebenfalls wieder ankurbeln.

Mit Blick speziell auf Deutschland sieht man gerade auch wieder Überlegungen innerhalb der Regierung, von der Politik der schwarzen Null abzukehren und wieder Investitionsprogramme zu starten, da eine Verschuldung gerade so günstig ist wie nie.

Einige Marktexperten scheinen auf dieses Szenario zu setzen. Dass die Zentralbanken alles versuchen werden, um die Wirtschaft zu stützen, davon kann man ausgehen. Eine schwerer einzuschätzende Variable bleibt hingegen weiter Trump und seine unberechenbare Politik.

onvista-Redaktion/dpa-AFX

Titelfoto:  Javen / Shutterstock.com

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