Wirecard: Anleger werden mutiger – Kommt jetzt die 200 Euro Diskussion wieder auf?
Das Vertrauen in den Dax-Konzern ist weiterhin stark erschüttert. Zu Handelsbeginn rauschte die Aktie erneut zweistellig ins Minus. Mittlerweile ist die Talfahrt allerdings ein gutes Stück weit gestoppt. Das Minus pendelt sich aktuell bei rund 4 Prozent ein. Der Dienstag veröffentlichte Sonderbericht der Wirtschaftsprüfer von KPMG hinterlässt im Kurs weiter seine Spuren. Die Spiele rund um die Aktie sind eröffnet.
Pro und Contra Argumente bleiben einfach gleich
Diesmal war es zwar kein Artikel in den Medien, sondern ein von Wirecard in Auftrag gegebener Prüfungsbericht, der die Aktie hat abstürzen lassen – dass Ergebnis ist allerdings das Gleiche und die jetzt einsetzende Diskussion auch. Dem weiter schwindenden Vertrauen steht als wichtigstes Kriterium für einen Einstieg das operative Geschäft gegenüber. Wenn Markus Braun die Argumente ausgehen, dann führt er die Geschäftsentwicklung auch gerne ins Feld – so auch gestern. Obwohl der Sonderprüfungsbericht im Mittelpunkt der Fragen stand, verwies der Wirecard-Chef auf die Entwicklung des ersten Quartals: „Es sei im Rahmen der Erwartungen verlaufen.“ Zweifel an dieser Aussage dürften tatsächlich nicht aufkommen. Dafür allerdings an anderen Aussagen von Markus Braun.
Ist das Glas halb voll oder halb leer?
Wie bei so vielen Dingen ist auch das Ergebnis des Sonderprüfungsberichts eine Frage der Sichtweise. Markus Braun vertritt den Standpunkt: KPMG habe „ganz klar keinen Beleg“ für aufgebrachte Vorwürfe gefunden. Unterm Strich stimmt diese Aussage auch. Schaut man sich den Weg an, der zu dieser Annahme führt, dann werden die Zweifel allerdings ganz schön groß.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kann zur Höhe und zur Existenz der Umsätze aus dem sogenannten Drittpartnergeschäft in den untersuchten Jahren 2016 bis 2018 weder eine Aussage treffen, dass diese existieren und korrekt sind, noch, dass sie nicht existieren und nicht korrekt sind. „Insofern liegt ein Untersuchungshemmnis vor“, erklärte KPMG in dem von Wirecard veröffentlichten Bericht.
Die Wirtschaftsprüfer mussten sich also auf Aussagen von Wirecard und die eingereichten Dokumente verlassen, die noch nicht einmal die Originale waren. Ein mehr als zweifelhafter Weg zu der Formulierung „ganz klar keinen Beleg“. Mit dieser Aussage stellt Markus Braun auch immer mehr seine eigene Glaubwürdigkeit in den Schatten. Bislang hatte man dem Wirecard-Chef die böswilligen Geschichten über Short-Attacken auf sein Unternehmen immer wieder gerne abgekauft und in Wirecard das Opfer gesehen.
Mittlerweile könnte sich aber auch die Meinung durchsetzen, dass Wirecard selbst Schuld ist, immer wieder zum Opfer zu werden. Die von KPMG beschriebene Mitwirkung der Aschheimer an der Aufklärung der Vorfälle ist haarsträubend und von einen Dax-Konzern eigentlich nur schwer vorstellbar. Frei nach der Sendung mit der Maus: „Klingt komisch, is aber so.“ Vielleicht sollten sich die Experten der legendären Fernsehsendung auch einmal das Geschäftsmodell von Wirecard vornehmen und in einfachen Worten erklären.
Mission gescheitert
Zum Spaßen ist die Kursentwicklung bei Wirecard allerdings nicht. Markus Braun und sein Team haben es verpasst, das Vertrauen in den Konzern wiederherzustellen. Der Sonderbericht lässt einfach zu viele Fragen offen. Damit bleibt Wirecard weiterhin angreifbar und der Plan war doch eigentlich genau das zu verhindern.
Ist die Fantasie noch da?
Für die Anleger stellt sich somit wieder folgende Frage: Reicht die Entwicklung des operativen Geschäfts aus, um den Kurs Richtung 200 Euro zu treiben? In vielen Köpfen der Investoren spukt genau dieses Kursziel rum. Viele Analysten sind weiterhin positiv für Wirecard gestimmt und daher ergibt sich in der Summe der ausgerufenen Kursziele ein Wert knapp über 200 Euro. Damit sehen bei Wirecard immer noch einige das Potenzial eines Verdopplers im Depot.
Nur wann bitteschön?
Die Aussicht auf eine 100 Prozent-Chance im Depot ist verlockend. Im September 2018 war die Aktie von Wirecard auf dem Weg die Marke von 200 Euro zu knacken. Aktuell steht die Aktie deutlich unter 100 Euro – hat sich also seit dem mehr als halbiert. Zwischendurch stand sie auch schon mal über 150 Euro. Immer wieder, wenn die 200 Euro Fantasie größer und größer wird, gibt es einen Dämpfer.
Anleger, die jetzt unter 100 Euro bei Wirecard zugreifen sollten sich bewusst sein, dass der Weg Richtung 200 Euro schwieriger und steiniger geworden ist. Selbst wenn der Kurs die ersten Hürden nehmen sollte, können immer wieder Rückschläge auf die Anleger zukommen. Wirecard hat seine Chance verpasst für mehr Ruhe und Vertrauen zu sorgen.
Von Markus Weingran
Foto: Homepage Wirecard
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