Kutzers Zwischenruf: Keiner kennt die Konjunktur korrekt

Hermann Kutzer · Uhr

Wir müssen damit leben: Trotz zahlreicher Frühindikatoren und Indizes ist auch die Konjunktur Interpretationssache. Allein was heute an neuen Daten und Bewertungen innerhalb weniger Stunden bekanntgemacht wurde, muss Sie, geschätzte Anleger, mehr irritieren als aufklären. Hier ein paar Auszüge aus den brandaktuellen Konjunkturstellungnahmen:

Die Geschäfte der deutschen Industrie laufen so schlecht wie seit dem Höhepunkt der weltweiten Finanzkrise Mitte 2009 nicht mehr. Der Markit-Einkaufsmanagerindex sank im September überraschend um 2,1 auf 41,4 Punkte, wie aus der am Montag veröffentlichten monatlichen Umfrage des Instituts IHS Markit unter rund 800 Firmen hervorgeht. „Der Gegenwind für die Konjunktur in Deutschland bläst immer stärker”, sagt BayernLB-Ökonom Stefan Kipar deshalb. Der Chefvolkswirt des Maschinenbauverbands VDMA, Ralph Wiechers befürchtet. „Eine baldige, nachhaltige Änderung zum Positiven ist nicht absehbar.” Große Skepsis auch beim Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen: „Mit der Verschlechterung der Lage im Dienstleistungssektor nimmt in Deutschland die Gefahr einer ausgeprägten Rezession zu, also eines Schrumpfens der Wirtschaft mit einem deutlichen Rückgang der Investitionen und einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit.”

Moment, liebe Leser, es gibt immer noch gelassene Stimmen von höchstrangigen Experten: Aktuelle Konjunkturschwäche kein Grund zur Besorgnis. So dämpft die Deutsche Bundesbank trotz der aktuellen Konjunkturschwäche die Sorgen vor einem Absturz der deutschen Wirtschaft. Es sei zwar durchaus möglich, dass die Wirtschaftsleistung auch im dritten Quartal leicht zurückgegangen sei, schreibt die Notenbank in ihrem vorgelegte Monatsbericht. Damit stecke Europas größte Volkswirtschaft aber nicht in einer Rezession.

Volkswirte sprechen bekanntlich von einer „technischen Rezession“, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale in Folge schrumpft. Im zweiten Vierteljahr 2019 war die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Vorquartal um 0,1 Prozent gesunken. Zum Jahresanfang hatte es noch ein Plus von 0,4 Prozent gegeben. „Ein zweimaliger Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Erzeugung in Folge stellt in der gegenwärtigen Situation für sich genommen noch keinen Grund zur Besorgnis dar. Er bedeutet auch noch nicht notwendigerweise das Ende der gesamtwirtschaftlichen Expansionsphase“, stellt die Bundesbank klar. Die Lage am Arbeitsmarkt sei weiterhin gut, der private Konsum intakt. Auch die Baukonjunktur floriere weiterhin. Gleichwohl bestünden „insbesondere im internationalen Umfeld weiterhin erhebliche Abwärtsrisiken“.

Für Sie jetzt alles klar? Für mich leider nicht …

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