Kutzers Zwischenruf: Das aktuelle Kurs-Jo-Jo ist ein Warnsignal

Hermann Kutzer · Uhr

Sollte man jetzt wieder einsteigen? Diese Frage erreicht mich seit ein paar Tagen immer öfter. Dafür gibt es sicher mehrere Gründe: Naturgemäß werden viele Privatanleger ungeduldig. Dazu eine Kursentwicklung an den Aktienmärkten, die man als mögliches Ende der Talfahrt interpretieren könnte. Und das vor dem Hintergrund einer von vorsichtig optimistischer werdenden Nachrichtenlage. Ich empfehle jedoch unverändert Zurückhaltung! Schauen Sie sich die Charts an, geschätzte Leser. Der Dreimonatsverlauf relativiert die bisherige Erholung des Dax. Und die heutigen Kurszuckungen im Vormittagshandel wirken eher abschreckend. Die WHO bestätigt zwar die positiven Anzeichen aus einer Reihe von stark betroffenen Ländern (darunter auch Deutschland). Man müsse sich jedoch klarmachen, dass es keinen schnellen Sieg über Covid-19 geben werde: „Trotz des Frühlingswetters befinden wir uns weiter mitten in einem Sturm.“

Das gilt nicht zuletzt für die (noch) führende Wirtschaftsmacht, wie die Fed in ihrem neuen Konjunkturbericht mahnt: Die Wirtschaftsaktivitäten sind in Trump-land „scharf und abrupt in allen Regionen” eingebrochen, teilt die Fed in ihrem Konjunkturbericht mit. Alle Bezirke haben hochgradig unsichere Ausblicke von ihren Wirtschaftskontakten gemeldet. Und die meisten rechnen damit, dass sich die Lage in den nächsten Monaten sogar noch weiter verschlechtern wird. Erschreckend auch der Blick nach Fernost: Asiens Wirtschaft wird in diesem Jahr laut IWF zum ersten Mal seit 60 Jahren infolge der Corona-Epidemie ein Nullwachstum erleiden.

Dem stehen Mut machende Prognosen zahlreicher Anlageprofis gegenüber, die ihre Kunden bei Laune halten müssen und Hoffnungen durch allgemeine – teils sogar konkrete – Kaufempfehlungen wecken. Typisch ein Senior Economic Analyst, der heute verbreitete: „Der größten Krise der Nachkriegszeit wird ein großer Aufschwung folgen.“ Unklar sei jedoch das Timing dieser Entwicklung. Einige Risikoanlagen böten bereits jetzt attraktive Einstiegsgelegenheiten. Kann man so sehen.

Ich teile eher die Ansicht von skeptischen Analysten. Der Dax befindet sich noch im Bärenmarkt. Die Gewinne unserer Topunternehmen können im laufenden Jahr teilweise um mehr als 50 Prozent einbrechen. Was mir für die Börse besonders wichtig erscheint, ist das stets zeitversetzte Bekanntwerden wichtiger fundamentaler Daten. Die jetzt anlaufende Berichtssaison für das erste Quartal ist nicht aussagekräftig, kann es nicht sein. Erst in einem weiteren Vierteljahr sind wir schlauer – hoffentlich. Bei anhaltender Konjunkturschwäche, vor allem durch eine fortgesetzte Corona-Krise, wird sich die weltwirtschaftliche Erholung noch länger hinziehen. Auf unbestimmte, weil unbekannte Zeit. Deshalb mache ich zunächst nur den wirklich langfristigen Anlegern Mut, sich von der kurz- bis mittelfristiger Aktualität nicht beeindrucken zu lassen: Ein Aktien- oder Aktienfonds-Sparplan mit einem Zeithorizont von mindestens zehn Jahren lohnt sich immer. Auch und gerade jetzt.

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