Kutzers Zwischenruf: Die Welle von schlechten Nachrichten rollt erst zeitlich verzögert auf die Märkte zu

Hermann Kutzer · Uhr

Eine der sinnvollsten Empfehlungen für die Kapitalanleger in der furchterregenden Pandemie lautet: Denkt jetzt ganz langfristig. Nur, wer kann das, will das? Während führende Virologen und Politiker (einschließlich unserer Kanzlerin) besorgt mahnen, Covid-19 ja nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, hält sich in Kreisen von Wirtschaft und Börsen das Prinzip Hoffnung: So gravierend die aktuellen Folgten der weltweiten Infektionswelle auch sein mögen – beim Blick nach vorn wird ein Konjunkturverlauf diskutiert, die einem großen „V“ ähnelt. Denn nach einem steilen Rückgang soll es relativ rasch wieder aufwärts gehen. Diese Haltung kommt auch im heute vorgelegten monatlichen Indikator der ZEW-Konjunkturerwartungen zum Ausdruck. Headline der Mannheimer Forscher: Verbesserung auf extrem niedrigem Niveau.

Die neue Umfrage des ZEW hat nämlich ergeben, dass die Finanzmarktexperten „Licht am Ende eines sehr langen Tunnels“ sehen. Die Ergebnisse der Sonderfragen zur Coronakrise zeigen, dass die Fachwelt erst für das dritte Quartal wieder ein positives Wirtschaftswachstum erwartet. Da habe ich noch meine Zweifel. Weiter heißt es: Die Wirtschaftsleistung aus der Zeit vor der Coronakrise soll erst im Jahr 2022 wieder erreicht werden. Auch das ist fraglich.

Der Faktor Zeit bzw. die zeitliche Verzerrung zwischen tatsächlichen Entwicklungen und statistischer Publizität wird seit Tagen von verschiedenen Seiten erwähnt. So ist klar, dass die jetzt angelaufene Berichtssaison für das erste Vierteljahr den Pandemieschock noch nicht angemessen (zumindest nur wenig) wiederspiegeln kann. Auch die Bundesbank weist in ihrem neuen Monatsbericht darauf hin, erst im zweiten Jahresviertel würden sich die wirtschaftlichen Einschränkungen erheblich stärker niederschlagen (Wie genau, werden wir erst im Sommer lesen können). Daher ist für das Frühjahrsquartal mit einem „weiteren massiven Rückgang der Wirtschaftsleistung“ zu rechnen. Eine rasche und starke wirtschaftliche Erholung erscheint aus diesem Grund eher unwahrscheinlich.

Immer noch milde Aussagen für meinen Geschmack. Selbst wenn die Pandemie jetzt ganz langsam abklingen sollte (hoffentlich, was aber alles andere als sicher ist), rollt die Welle von miserablen bis katastrophalen Nachrichten aus der Wirtschaft noch auf uns zu. Anleger, die sich momentan über Kurserholungen freuen, seien deshalb gewarnt. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die kommenden Meldungen über miese Umsätze und Erträge, Dividendenkürzungen und -streichungen, Entlassungen und Pleiten von den Aktienmärkten locker weggesteckt werden. Vielleicht sind die Börsianer noch zu

kurzsichtig, wenn sie jetzt schon das vielzitierte Licht am Ende des Tunnels zu sehen glauben.

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