onvista-Börsenfuchs: Wie man Enttäuschungen vorbeugen kann

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Hallo Leute! Manchmal wundert sich sogar ein erfahrener Fuchs. Und dann kann auch er verstehen, dass jüngere Privatbörsianer die (Börsen-)Welt nicht mehr verstehen. Momentan ist viel los auf dem Erdenklos. Jede Menge Ärger. Die Nachrichtenlage macht keinen Spaß (Corona, Suez-Kanal, Türkei-Probleme, schwächere China-Zahlen etc.) und Europas Politik mit dem Berliner Zoff an der Spitze wird zu einem unberechenbaren Unsicherheitsfaktor. Deshalb muss jedem klar sein, dass alles was zur Pandemie gesagt und gegen sie getan wird, morgen schon wieder überholt werden kann.

Trotz allem: Da kommt eine Hurra-Meldung aus München: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich merklich verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im März auf den höchsten Wert seit Juni 2019 gestiegen! Die befragten Unternehmen waren spürbar zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Zudem ist der Optimismus mit Blick auf die kommenden Monate zurückgekehrt. Trotz steigender Infektionszahlen startet die deutsche Wirtschaft zuversichtlich in den Frühling. Hey, schön wär’s ja, aber haben die noch die Peilung?

Namhafte Analysten machen ebenfalls Stimmung für die gute Stimmung. Ihr Anker ist Ami-Land, wo Joe Biden die Frühlingsonne strahlen lässt. Möglich, dass steigende Inflationsraten und Fortschritte bei der Pandemiebekämpfung bald für erneuten Aufwärtsdruck bei den Anleiherenditen sorgen. Die sogenannte „Steilheit der Zinsstrukturkurve“ spricht aber gegen deutlich höhere Renditen. Der Abstand zwischen der laufenden Verzinsung zehn- und zweijähriger US-Staatsanleihen liegt schon bei rund 1,5 Prozentpunkten, der langfristige Durchschnitt liegt dagegen bei nicht einmal 1 Prozentpunkt. Phasen mit einer Renditedifferenz von mehr als 2 Prozentpunkten waren in der Vergangenheit eher selten. Da die US-Notenbank den Leitzins kaum schnell anheben dürfte, bleiben die Geldmarktzinsen und die Renditen von Anleihen mit kurzer Laufzeit auf niedrigem Niveau zementiert. Jeder weitere Renditeanstieg bei Anleihen längerer Laufzeit macht eine entsprechende Anlage interessanter, was die Kurse stützen und den Zinsanstieg dämpfen sollte. Ergebnis: Solange die Währungshüter an ihren niedrigen Leitzinsen festhalten, gibt’s wohl nur begrenztes Potenzial für höhere langfristige Anleiherenditen. Damit sollte auch der vom Zinsniveau ausgehende Gegenwind für die Aktienmärkte begrenzt bleiben.

Ein anderer Anlagestratege begründet das anhaltend freundliche Börsenklima (für die Aktien) ebenfalls mit Ami-Land: „Nach dem Stimulus ist vor dem Stimulus“, so das Motto, obwohl die weitere wirtschaftliche Erholung vielleicht später als erwartet einsetzen könnte. Denn nicht nur der im Vergleich zur Europäischen Union dynamischer verlaufende Impfprozess untermauert die derzeitige konjunkturelle Ausnahmestellung der Amis: Es gilt vielmehr das Stichwort „US Exceptionalism“ – in einem insgesamt positiven globalen Ausblick für das Jahr 2021. Nachdem zu Monatsbeginn ein 1,9 Billionen Dollar schweres Konjunkturpaket zur Bekämpfung

der Folgen der Pandemie verabschiedet wurde, nimmt der neue Presi bereits das nächste Wirtschaftsprogramm ins Visier. Ziel des auf zehn Jahre angesetzten „American Recovery Plan“ mit einem (Presseberichten zufolge) Umfang von etwa 3 Billionen Dollar ist es, das langfristige Wachstumspotenzial der größten Volkswirtschaft der Welt zu erhöhen. Geplant sind unter anderem großzügige Investitionen in eine Erneuerung der Infrastruktur, eine klimaneutrale Umgestaltung der Wirtschaft und in Bildung.

Die Sache hat mindestens einen Haken: Es drohen empfindliche Steuererhöhungen. Und da höhere Körperschaftssteuern eine Belastung für die Gewinnmargen amerikanischer Unternehmen darstellen, sollten Anleger die entsprechende politische Debatte im Blick behalten. Zum anderen könnte eine mögliche fiskalpolitische „Überstimulierung“ der Wirtschaft die Notenbank Fed irgendwann dazu bringen, früher als von den Marktteilnehmern erwartet ihre geldpolitische Unterstützung zurückzuschrauben.

Vorschlag: Unterschätzt Corona und Folgen nicht! Auch nicht durch die Anlegerbrille. Sondern bereitet Euch schon jetzt darauf vor, dass sich die Nachrichten aus der Politik, von den Notenbanken und den Unternehmen eintrüben. Vielleicht. Neben den üblichen Maßnahmen – Positionen gegen starke Kursverluste absichern, Gewinnmitnahmen, nix tun – empfehle ich vor allem, mögliche Anfälle von Euphorie zu verdrängen. Dazu passt die (angeblich asiatische) Weisheit „Erwarte nichts, dann kannst Du nicht enttäuscht werden“.

Ps.: Ich bin immer noch bullisch und verabschiede mich nicht vom Aktienmarkt.

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