onvista-Börsenfuchs: Konjunkturzweifel zerstören die Börsenstimmung (noch) nicht

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Hallo Leute! Der Aktienmarkt sieht immer noch gut aus. Die zunehmenden Kursschwankungen sind kein schlechtes Zeichen. Aber sie signalisieren, dass die großen Spieler vorsichtiger werden. Ein Grund: Man ist nicht mehr voll überzeugt von einem anhaltenden Wirtschaftswachstum. Jedenfalls werden inzwischen da und dort auch öffentlich Zweifel laut, weil mit jedem Tag die Corona-Sorgen wieder wachsen. Hey, das geht mir ähnlich – obwohl ich das Bullenlager noch nicht verlasse. Aber die Märkte marschieren nicht mehr im Gleichschritt, die Unterschiede in der Kursentwicklung nach Ländern, Branchen und Einzelwerten nehmen zu.

Die Strategen der M.M. Warburg Bank beschreiben das in ihrem aktuellen Flash Report (wirklich interessant) unter der Headline „Wachstumshöhepunkt erreicht – ein böses Omen für den Aktienmarkt?“ Nach der kurzen, aber heftigen Rezession zu Beginn des letzten Jahres hat sich die Weltwirtschaft in den vergangenen 12 Monaten kontinuierlich erholt. Die geld- und fiskalpolitischen Impulse waren so stark, dass viele Anleger – von der Dynamik der Konjunkturerholung überrascht – den Anteil risikobehafteter Anlagen in ihren Portfolios deutlich erhöht haben. Steigende Aktienkurse und höhere Notierungen bei vielen Unternehmensanleihen waren die Folge. Doch mittlerweile sieht es so aus, als ob der Höhepunkt der wirtschaftlichen Dynamik überschritten wurde.

Und jetzt wird’s statistisch interessant: Die Aussage, dass die Wachstumsdynamik im zweiten Quartal ihren Peak erreicht hat, beruht darauf, dass die meisten Volkswirte und Kapitalmarktteilnehmer die Veränderung von Konjunkturdaten im Vergleich zum Vorjahresniveau betrachten. Das mach‘ ich auch so. Denn schon als Jungfuchs habe ich in meinem Volontariat gelernt, dass nur der Vorjahresvergleich Sinn macht, weil die Betrachtung von Quartal zu Quartal oder Monat zu Monat nicht so aussagekräftig ist. Denn die Monate haben ja unterschiedliche Länge und Arbeitstage (wegen der Sonn- und Feiertage). Außerdem gibt es im Jahresverlauf auch saisonale Einflüsse.

Löst man sich aber von der Betrachtung von 12-Monats-Zeiträumen und schaut stattdessen auf Quartals- oder Monatsveränderungen, müssen die guten Zeiten keineswegs vorbei sein. So gehen die Warburg-Banker davon aus, dass die Quartalsveränderungsraten beim Bruttoinlandsprodukt in den USA und in Deutschland noch mindestens bis Mitte nächsten Jahres überdurchschnittlich hoch ausfallen werden! Frühestens ab dem Jahr 2023 dürften die positiven Effekte der expansiven Wirtschaftspolitik nachlassen, sodass erst dann wieder eine Rückkehr zu „normalen Zeiten“ bei den Wirtschaftsdaten zu erwarten ist.

Dies führt zur Schlussfolgerung, dass das Umfeld für Aktien auch in der zweiten Jahreshälfte positiv einzuschätzen ist. Das bedeutet nicht, dass sich die Kursentwicklung der vergangenen 12 Monate so geradlinig und vor allem nicht im selben Tempo fortsetzen wird. Zudem hat sich die vergleichsweise hohe Bewertung vieler Aktienmärkte dank der guten Entwicklung der Unternehmensgewinne etwas relativiert. So ist das Dax-KGV von über 17 im Juli 2020 auf zuletzt knapp 14 gesunken, womit deutsche Aktien im Vergleich zur eigenen Historie, aber auch im Vergleich zu anderen Indizes mittlerweile wieder günstig bewertet sind.

Dieser Ausblick gefällt mir. Er vertreibt dennoch nicht meine Zweifel am Konjunkturoptimismus, weil ich eine vierte Corona-Welle befürchte. Kommende Woche gibt’s wieder jede Menge Konjunktur- und Unternehmensdaten auf beiden Seiten des großen Teichs. Wie immer die ausfallen – ich würde sie nicht überbewerten, weil die meisten Lageberichte das Gestern und Heute widerspiegeln, also das Vergangene. Doch entscheidet das Morgen über Dow und Dax.

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