onvista-Börsenfuchs: Ein bisschen „German Bias“ darfs schon sein

onvista · Uhr

Hallo Leute! Die aktuellen Lageberichte aus der Wirtschaft bleiben gemischt – Börsianer nennen das „uneinheitlich“. Das gilt für die Amis ebenso wie für Euro-Land. Eigentlich nicht schlimm, wenn man die Pandemie-Folgen und die Risiken durch neue Corona-Typen bedenkt. Manche Meldungen sehen auf den ersten Blick sogar voll gut aus, sind es aber nur mit Einschränkungen.

Beispiel die heute veröffentlichten Auftragseingänge. Die deutsche Industrie hat ausgerechnet in einer Phase massiver Produktionsprobleme eine Rekordflut an Aufträgen erhalten. Das Neugeschäft wuchs im Juli wegen Großbestellungen aus dem Ausland um 3,4 Prozent zum Vormonat. Der Auftragseingang erreichte damit seinen höchsten Stand seit dem Beginn der Zeitreihe im Jahr 1991! Das kommt völlig überraschend: Von Reuters befragte Volkswirte hatten mit einem Rückgang von 1,0 Prozent gerechnet. Aber: Ohne Großaufträge hätte es kein Plus gegeben. Und da 70 Prozent der Industriebetriebe aktuell über Engpässe bei Vorprodukten wie Mikrochips klagen, dürfte sich das Abarbeiten des Auftragsberges erheblich verzögern.

Nur gedämpfte Zuversicht beim Sentix-Indikator. Im Euroraum und auch hierzulande verschlechtern sich die Konjunkturerwartungen zum vierten Mal in Folge auf 6,8 Punkte. Dies ist der niedrigste Stand seit Mai 2020. Kommt damit die Konjunkturerholung ins Stocken? Zumindest scheint der Hochpunkt überschritten, denn auch die Konjunkturlage wird mit 36 Punkten nach 38,5 Punkten etwas schlechter beurteilt. Eine Trendwende auszurufen, scheint dennoch voreilig, schreiben die Frankfurter Sentiment-Forscher. Aber die Risiken nehmen zu.

Was heißt das für die Aktienfans? Erst mal vorsichtig bleiben. Wer aber unbedingt was machen will und sich gern als Stockpicker betätigt, sollte Ami-Land und Euro-Land fokussieren. Da gibt’s genug Möglichkeiten. Ich würde sogar den vielkritisierten „Home Bias“ befürworten. Dieser Begriff (= Heimatmarktneigung) bezeichnet die Tendenz von Investoren, Geldanlagen auf dem Heimatmarkt überproportional zu gewichten. Also momentan nix gegen einen gewissen „German Bias“. Guckt Euch unter anderem mal die zehn Aufsteiger in den aufgestockten Dax-40 an!

Übrigens gibt es auch total optimistische Konjunkturstimmen, so beispielsweise die Analysten der Zürcher Fisch Asset Management: Die globale Konjunktur dürfte nach einer temporären Abschwächung in den vergangenen Monaten aufgrund eines bevorstehenden Lageraufbauzyklus wieder an Dynamik gewinnen. Die Lagerbestände sind pandemiebedingt weltweit auf tiefem Niveau, insbesondere in der Autoindustrie, werden aber mittelfristig wieder aufgebaut. Historisch hatten Lageraufbauzyklen stets einen positiven Effekt auf das konjunkturelle Wachstum. Weitere Faktoren unterstützen ein solides Wirtschaftswachstum: Der Ami-Arbeitsmarkt beginnt sich zu beschleunigen und die Löhne steigen deutlich. Auch in Europa sinkt die Arbeitslosigkeit. Das führt zu erhöhtem Konsumpotenzial. Na also, geht doch.

Meistgelesene Artikel