Gut gemacht Frau Lagarde – europaweit gehen Bankenaktien auf Tauchstation – EZB-Chefin erteilt Zinserhöhung klare Absage

onvista · Uhr

38 Mitglieder zählt der Aktienindex STXE 600 Banks – eins davon kann sich heute im Plus halten. Die Aktie der Avanza Bank Holding, dass größte Börsenmakler- und Maklerunternehmen in Schweden, liegt heute hauchdünn im Plus. Die restlichen Mitglieder leiden zum Teil unter Kursabschlägen, die bis über 7 Prozent reichen. Unter den Top 10 der Verlierer auch die beiden deutschen Vertreter Deutsche Bank und Commerzbank. Insgesamt gibt der Index über 2,5 Prozent nach. Doch warum erwischt es die europäischen Banken heute so hart. Die Erklärung ist schnell gefunden. EZB-Chefin Christina Lagarde hat sich heute via Videolink auf dem Frankfurt European Banking Congress zum weiteren Kurs der EZB geäußert.

Zinserhöhung sind 2022 kein Thema für die EZB

Während in den USA fleißig darüber diskutiert wird, ob die Fed im kommenden Jahr aufgrund der hohen Inflation schon früher die Zinsen anhebt, können sich die Experten in der Eurozone diese Diskussion sparen. Schon jetzt steht nämlich fest, dass die EZB auch 2022 den Leitzins auf 0 belassen wird. Trotz einer weiter steigenden Inflationsrate spracht sich Christin Lagarde in aller Deutlichkeit gegen ein Zinserhöhung im kommenden Jahr aus. Zwar werde die Teuerung absehbar bis zum Jahresende weiter ansteigen. Doch auf mittlere Sicht sei ein Absinken der Inflation zu erwarten, womit eine Straffung der Geldpolitik zurzeit nicht sinnvoll sei. Für die EZB gelte es jetzt, ihre Geldpolitik „geduldig und beharrlich“ fortzusetzen, sagte Lagarde.

Na da kann Frau doch gleich weiter Geld in die Märkte pumpen

Christine Lagarde stellte auch klar, dass die EZB auch nach dem Ende der akuten Pandemie-Notlage die Wirtschaft weiter stützen wird. Lagarde und ihr Team wollen im Dezember entscheiden, wie es danach weitergeht. Experten gehen davon aus, dass die Konjunkturhilfe nach dem Ende von PEPP nicht abrupt gestoppt wird und das kleinere Anleihenprogramm APP in der einen oder anderen Form einen möglichst reibungslosen Übergang ermöglichen wird. Die monatlichen Kaufvolumina von 20 Milliarden Euro fallen derzeit deutlich geringer aus als die des PEPP, das weit größer angelegt ist.

Wenn sich Christine Lagarde mal nicht täuscht

Das die Inflation auf mittlere Sich wirklich sinkt, wagen mittlerweile einige Experten zu bezweifeln. Dazu gehört auch der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing. Er trat auf der gleichen Veranstaltung nach Christin Lagarde auf und hatte einen ganz anderen Rat für die EZB-Chefin. Die Dauer der höheren Inflation werde unterschätzt, sagte Sewing am Freitag auf dem European Banking Congress in Frankfurt. „Und in dieser Hinsicht denke ich, dass eine Reaktion der Zentralbank auch früher kommen sollte, als wir gerade gehört haben.“

Auch „Noch-Bundesbankchef“ Weidmann warnt

Der Inflationsausblick sei außerordentlich ungewiss, mahnte er am Freitag beim Frankfurt European Banking Congress. Steigende Inflationserwartungen und Lohnerhöhungen könnten mittelfristig zu weiterem Preisauftrieb führen. Daher könne es seiner Ansicht nach gut möglich sein, dass die Inflationsrate nicht wie prognostiziert auf mittlere Sicht unter das Ziel der Notenbank von zwei Prozent falle. Die Europäische Zentralbank dürfe sich daher nicht zu lange auf die derzeit sehr lockere geldpolitische Linie festlegen. „Wir sollten nicht das Risiko einer zu hohen Inflation außer Acht lassen und stattdessen wachsam bleiben“, betonte der scheidende Bundesbankchef, der Ende des Jahres sein Amt vorzeitig abgibt.

Stichtag 16. Dezember

Es dauert nicht mehr lange bis die EZB ihren Kurs für das kommende Jahr festzurren muss. Geht es nach Christine Lagarde, dann ist der Weg schon ein gutes Stück vorgezeichnet. Allerdings vertreten bei der Europäischen Zentralbank nicht alle Mitglieder uneingeschränkt den gleichen Kurs wie die Chefin. Die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte jüngst durchblicken lassen, dass die Währungshüter bei der Einschätzung der Inflationsgefahren unterschiedlicher Meinung seien. Es bestehe zwar weitgehend Einigkeit, dass die explodierenden Energiekosten und Basiseffekte aus dem Corona-Jahr 2020 die Preise trieben: Doch es bestehe weniger Einigkeit über die Dauer dieser Preistreiber und was sie für eine angemessene Antwort der Geldpolitik bedeuteten. Sollte sich Christine Lagarde irren und Sewing und Weidmann recht behalten, dann dürften sich die Aktienmärkte viel länger als bislang geplant mit dem Thema Inflation beschäftigen. Und sollte dies der Fall sein, dann könnten wir nicht nur bei den Banken solche Rücksetzer sehen wie heute.

Also Frau Lagarde, gehen sie noch einmal in sich und überdenken, ob ihr Weg wirklich der richtige zu sein scheint.

Von Markus Weingran – mit Material von Reuters

Foto: Alexandros Michailidis/shutterstock.com

Das könnte dich auch interessieren

Meistgelesene Artikel