Ukraine-Krise: Die Lage spitzt sich zu – Experte: Aus russischer Sicht könnte jetzt ein Angriff „weniger kostspielig“ sein als Untätigkeit

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Die Ukraine-Krise nimmt immer mehr Raum in den Köpfen der Anleger ein: An den europäischen Aktienmärkten hatte im heutigen Handel anfangs Erleichterung über ein mögliches Gipfeltreffen von Biden und Putin geherrscht, diese hielt aber nur kurz an. Bereits am Vormittag waren die wichtigsten Indizes wieder ins Minus gerutscht. „Die Börsen lechzen nach den ersten sichtbaren Rauchwolken aus einer Friedenspfeife“, kommentierte Analyst Timo Emden die Lage. „Denn eine militärische Eskalation dürfte für große Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten sorgen.“

Der Kreml dämpfte zuletzt Hoffnungen auf ein baldiges Treffen des russischen Präsidenten mit seinem US-Amtskollegen zur Entspannung des Ukraine-Konflikts. Gleichzeitig nehmen die Meldungen über Zusammenstöße zwischen der ukrainischen Armee und den von Moskau unterstützten Separatisten in der Ostukraine zu.

Derweil geht auch die Talfahrt an der russischen Börse weiter: Bis zum frühen Nachmittag sackte der RTS-Index um mehr als neun Prozent auf 1260 Punkte ab. Damit steuert der Moskauer Leitindex auf den dritten Verlusttag in Folge zu und hat an diesen drei Tagen insgesamt gut 17 Prozent an Wert eingebüßt. Bei 1252 Punkten markierte er zu Wochenbeginn den tiefsten Stand seit November 2020. Auch der Rubel leidet deutlich unter den Spannungen und gibt derzeit zu allen wichtigen Referenzwährungen nach.

Experte: Russland könnte aus einem Kosten/Nutzen-Denken heraus jetzt in Aktion treten

Die Frage aller Fragen bleibt weiterhin, ob Russland wirklich in die Ukraine einmarschieren wird. Laut Rob Lee, einem hochrangigen Mitarbeiter des Foreign Policy Research Institute (FPRI), könnte es aus der russischen Perspektive heraus besser sein, jetzt die Aggression gegen die Ukraine zu verstärken, als länger zu warten. Denn wenn Russland jetzt nachgeben würde, wird die NATO denken, dass Waffenexporte in die Ukraine ein „entscheidender Schlüssel“ waren und dass mehr Abschreckung erforderlich ist, sagte der Experte gegenüber dem Nachrichtendienst CNBC.

Daher seien die Kosten der Untätigkeit für Russland wahrscheinlich höher als die Kosten einer Eskalation, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Auch aus militärischer Sicht spreche für Russland einiges dafür, jetzt in Aktion zu treten, so der Experte weiter. „Ein Grund, warum Russland Maßnahmen jetzt für weniger kostspielig halten könnte als zu warten, ist, dass, wenn die Ukraine Langstreckenraketensysteme entwickelt, dies bedeutet, dass jede Art von russischer Eskalation in der Zukunft zu ukrainischen Angriffen auf russische Städte oder bedeutende militärische Infrastruktur führen könnte.“ Derzeit verfüge die Ukraine noch nicht über solche Möglichkeiten.

Auf die Frage, wann Russland angreifen könnte, äußert sich der Experte, dass es jederzeit passieren könne. „Es könnte heute Nacht oder in den kommenden Tagen passieren.“ Zudem weist er auf Anzeichen hin, dass Moskau Truppen und Ausrüstung näher an die Ukraine heranführt und Soldaten in kleinere Formationen eintreten. „Im Wesentlichen sieht es so aus, als hätten sie auf militärischer Seite so ziemlich alles an Ort und Stelle“, so das Fazit des Experten.

onvista-Redaktion mit dpa-AFX

Titelfoto: sameer madhukar chogale / Shutterstock.com

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