BMW und Mercedes verkaufen Carsharing-Tochter an Stellantis

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DEUTSCHLAND-SHARE-NOW:BMW und Mercedes verkaufen Carsharing-Tochter an Stellantis

München/Frankfurt (Reuters) - Im Wettbewerb der Autobauer mit Mobilitätsdiensten werden die Karten neu gemischt: BMW und Mercedes-Benz wollen ihr Carsharing-Angebot "Share Now" an den Opel-Mutterkonzern Stellantis verkaufen.

Eine Absichtserklärung sei vor kurzem unterzeichnet worden, teilten die beiden deutschen Autobauer am Dienstag mit. Über Details sei Stillschweigen vereinbart worden. Stellantis, der Mutterkonzern von Marken wie Fiat, Chrysler und Peugeot, kann mit dem Erwerb das Angebot seiner Mobilitätstochter Free2move ausbauen. Deren Chefin Brigitte Courtehoux will das bisher defizitäre Geschäft mit der stationsunabhängigen Auto-Vermietung profitabel machen. Die Kartellbehörden müssen dem Verkauf noch zustimmen.

"Share Now" ist der größte europäische Anbieter, der aus der Verschmelzung von Daimlers Car2go mit dem BMW-Pendant Drive Now hervorging. Das Unternehmen ist in 16 europäischen Metropolen mit rund 11.000 Fahrzeugen vertreten und kommt nach eigenen Angaben auf rund 3,4 Millionen Kunden. Der Stellantis-Anbieter bedient mit 2500 Leihautos zwei Millionen Nutzer an sieben Standorten in Europa und den USA. Stellantis hat sich vorgenommen, bis Ende des Jahrzehnts 15 Millionen aktive Kunden für seine Mobilitätsdienste zu gewinnen und einen Nettoumsatz von 2,8 Milliarden Euro zu erzielen. Free2move-Chefin Courtehoux verspricht sich von der Übernahme Größenvorteile, Synergien und dank der eigenen "finanziellen Disziplin" auch Gewinn. Free2move schreibe schon seit Mitte 2020 schwarze Zahlen. "Wir wissen, wie man profitabel ist in diesem Geschäft", sagte sie.

MOBILITÄTSDIENSTE WACHSEN

Das Carsharing der deutschen Premiumautobauer warf bisher allenfalls in einzelnen Städten Gewinn ab. Über einen Verkauf wurde daher schon länger spekuliert. Die stationsunabhängige Kurzzeitmiete hat den Vorteil, dass ein Kunde das Auto flexibel in seiner Nähe finden kann. Der Aufwand für den Betreiber, die übers Stadtgebiet verteilten Wagen aufzutanken und in Ordnung zu halten ist aber größer als bei festen Verleihstationen. Der Carsharing-Markt in Deutschland wächst seit Jahren und ist hart umkämpft: Der Bundesverband Carsharing zählte zuletzt 243 Anbieter in 935 Orten mit rund 3,4 Millionen registrierten Kunden. Nach Flottengröße ist Share Now Marktführer, gefolgt von Miles, Stadtmobil und Sixt share. Denn auch der traditionelle Autovermieter Sixt ist in das Geschäftsfeld eingestiegen, das vor Jahrzehnten lokale Initiativen aus Umweltschutzgründen aufbauten, um das eigene Auto überflüssig zu machen.

BMW und Mercedes-Benz hatten ihre Mobilitätsdienste 2019 zum Gemeinschaftsunternehmen "Your Now" zusammengelegt. Dazu gehören neben dem Carsharing "Share Now" der Taxi- und Mitfahr-Vermittler "Free Now" sowie die Ladestationen-Plattform "Charge Now". Noch im gleichen Jahr kündigte das Unternehmen den Abschied aus dem Nordamerika-Geschäft an. Im März 2021 wurde die Parkplatz-App "Park Now" an den schwedischen Konkurrenten Easypark verkauft. Die Mobilitäts-App "Reach Now" wurde eingestellt. Mercedes-Benz verbuchte aus den Mobilitätsdiensten, die in den vergangenen beiden Jahren unter der Corona-Pandemie litten, einen Verlust von 329 Millionen Euro bei einem Umsatz von 260 Millionen Euro.

Europas größter Autobauer Volkswagen ist ebenfalls in dem Markt aktiv und will mit der milliardenschweren Übernahme des französischen Autovermieters Europcar ein führender Anbieter werden. Europcar soll zu einer Plattform für Angebote rund um Carsharing, Mitfahrdienste und Abo-Modelle ausgebaut werden. Die Hersteller richten sich auf ein verändertes Nutzungsverhalten vor allem jüngerer Kunden ein, die Autos nicht mehr besitzen, sondern für kurze Zeit mieten oder abonnieren wollen. Volkswagen verfügt unter der Marke WeShare in einigen Städten bereits über Aktivitäten im Carsharing und bietet mit Moia Mitfahrdienste an. VW-Chef Herbert Diess sieht in der Kombination von Vermietung und Carsharing den einzigen Weg, letzteres profitabel zu betreiben. Mobilitätsdienste könnten in den kommenden Jahren nach seiner Einschätzung schneller wachsen als der Autoverkauf - erst recht, wenn sich autonomes Fahren durchsetze und Robotaxis auf die Straße kämen.

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(Bericht von Christina Amann, Ilona Wissenbach, Jan C. Schwartz, Giulio Piovaccari. Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter Berlin.Newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder Frankfurt.Newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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