Bitcoin: Ein Blick auf die Charts – ist ein weiterer Absturz unausweichlich?

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Es herrscht weiterhin eine Grabesstimmung an den Märkten, nachdem die Sommerrally, die sowohl die Aktienmärkte als auch den Krypto-Sektor wiederbelebt hatte, durch die harsche Kommunikation der US-Notenbank schnell wieder abgewürgt wurde.

Federal-Reserve-Chef Jerome Powell hat unmissverständlich klar gemacht, dass die geldpolitische Straffung und damit der Kampf gegen die Inflation fortgesetzt wird, bis diese wieder in den Griff bekommen wurde. Die Notenbanker haben während der letzten Sitzung auch eine recht detaillierte Zielvorgabe genannt und visieren einen Zins an den Anleihemärkten von 4,6% als „Terminal Rate“ an, bis zu dem sie die Zinsen weiter erhöhen wollen. Das liefert beim derzeit von der Fed festgesetzten Leitzinsniveau von 3.00 – 3.25% Spielraum für weitere Erhöhungen bis in das nächste Jahr hinein.

Die Geldpolitik bleibt damit der maßgebliche Faktor, der die Richtung der Finanzmärkte und auch von Bitcoin und dem Krypto-Sektor bestimmt, denn die Korrelation ist weiterhin deutlich vorhanden. Von seiner tatsächlichen Rolle als dezentrale Alternative zum derzeitigen Zentralbanksystem bleibt Bitcoin aufgrund seines frühen Stadiums und der enormen Menge an spekulativem Kapital immer noch weit entfernt.

Wirtschaftsdaten erfüllen die schlechten Erwartungen der Märkte

Da die Stimmung von der Hoffnung im Sommer wieder komplett ins Negative gerutscht ist, wird am Markt derzeit scheinbar geradezu verlangt, dass die Kurse in einer weiteren heftigen Korrekturbewegung abtauchen, um die schwache konjunkturelle Lage, die steigenden Zinsen und den starken Dollar, der für Druck auf die globale Wirtschaft sorgt, angemessen einzupreisen. Das Bureau of Economic Analysis hat am Donnerstag noch einmal offiziell bestätigt, dass die US-Wirtschaft in Q2 2022 um 0,6% geschrumpft ist, nachdem sie im ersten Quartal bereits um 1,6% geschrumpft war.

Damit befindet sich die US-Wirtschaft technisch gesehen in einer Rezession, auch wenn das von Seiten des Weißen Hauses mittlerweile – aus unerfindlichen Gründen – anders definiert wird. Zudem ist die Inflationsrate in der Eurozone im September bis auf die Marke von 10% geklettert und gibt damit keinerlei Anzeichen einer Verlangsamung der Teuerungsrate. Das lässt in Kombination mit der kritischen Gassituation wenig Hoffnung auf einen glimpflichen Winter für die europäische Wirtschaftszone zu – eine Rezession wird auch hier immer unausweichlicher.

In den Fokus dürfte nun die anstehende Berichtssaison für das 3. Quartal rücken. Sollte hier ersichtlich werden, dass sich das unangenehme Umfeld aus hoher Inflation, hohen Zinsen und sinkender Nachfrage nun auf die tatsächlichen Geschäftszahlen auswirkt, dann könnte das der Trigger für einen weiteren Abverkauf an den Aktienmärkten werden, auf den scheinbar alle derzeit warten.

Wird Bitcoin erneut mit in den Keller gezogen?

Mit Blick auf den Krypto-Branchenprimus Bitcoin stellt sich die Frage, ob Krypto-Assets – sollte es zu einem weiteren Abverkauf an den Märkten aufgrund der angesprochenen Gründe kommen – ein weiteres Mal mit in die Tiefe gerissen werden, oder ob der Makro-Boden innerhalb des Krypto-Bärenmarktes mit dem Fall unter die Marke von 20.000 Dollar bereits gezeichnet werden konnte.

Quelle: Tradingview

Bitcoin befindet sich nun seit bereits fast einem Jahr in einem Abwärtstrend, der die Kryptowährung bis zurück an die Marke des Allzeithochs aus dem letzten Bullenmarkt von 2017 gebracht hat. Auch wenn der Kurs in den letzten Monaten bereits mehrmals darunter abgetaucht ist, hält diese charttechnische Unterstützung sich bisher immer noch halbwegs wacker und die Krypto-Bullen scheinen diese Marke noch nicht ganz aufgeben zu wollen. Mit Blick auf die saisonale Verhaltensweise der Kryptowährung dürfte das 4. Quartal äußerst interessant werden, denn Bitcoin schlägt sich im Jahresschlussquartal – mit wenigen Ausnahmen – traditionell stark.

Ein Ausbruch aus dem charttechnischen Falling Wedge, welches sich aus dem Abwärtsdruck der letzten Monate geformt hat, wäre im Bereich des Möglichen, wenn sich die Unterstützung um den Bereich von 20.000 Dollar weiterhin als valide erweist und Bitcoin seinen üblichen saisonalen Patterns folgt. Ein weiteres Pro-Argument für ein solches Szenario wäre die Tatsache, dass der 200-Wochen-Trend sich in der Historie von Bitcoin stets als Indikator dafür erwiesen hat, dass ein Boden in einem Bärenmarkt erreicht wurde. Mit dem nachhaltigen Abtauchen unter diesen Trend hat Bitcoin in diesem Jahr charttechnisches Neuland erkundet.

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Während Bitcoin diesen charttechnischen Support derzeit eingebüßt hat, kämpft die Gesamtmarktkapitalisierung des Krypto-Sektors weiterhin um den 200-Wochen-Trend als Unterstützung und es zeichnet sich ab, dass dieser den vierten Monat infolge halten wird. Das macht Hoffnung auf die Formung eines Makro-Bodens in diesem Bärenmarkt.

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Am Ende wird die Gravitationskraft des Makro-Umfelds an den Finanzmärkten jedoch wahrscheinlich trotzdem zu stark sein, sollte es zu einem weiteren Selloff an den Märkten kommen. In diesem Fall dürfte es auch für Bitcoin schmerzhaft werden. Charttechnisch relevante Marken wären in diesem Szenario das Hoch bei 14.000 Dollar aus der Sommerrally 2019, die darauffolgende charttechnische Unterstützung bei 12.000 Dollar und im Härtefall die Pre-Covid-Levels im Bereich um die 10.000 Dollar.

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Sollte sich die nun kommende Berichtssaison als Trigger für einen weiteren Abverkauf am Markt herausstellen und Bitcoin mit in die Tiefe ziehen, wäre die eigentlich gute saisonale Performance im 4. Quartal eines Jahres dennoch nicht aus der Welt, da im Fall von Bitcoin eine erneut heftigere Reaktion als es der Gesamtmarkt zeigt – so wie im Covid-Crash im März 2020 gesehen – der Fall sein könnte.

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In diesem Fall wäre ein Test des unteren Zielbereichs des derzeitigen Abwärtstrends bei 10.000 Dollar denkbar, gefolgt von einem anschließenden schnellen Bounce nach oben und ein Ausbruch aus dem Trend. In der langfristigen Perspektive bleibt jedoch die Geldpolitik der Notenbank der entscheidende Faktor. Angesichts des derzeit gegebenen Fahrplans der Fed ist mit einer nachhaltigen Erholung, geschweige denn dem Start eines neuen Bullruns, wahrscheinlich frühestens Ende 2023 zu rechnen, sollte nichts Unvorhergesehenes geschehen und die Federal Reserve zu weiteren Maßnahmen außerhalb der Reihe zwingen.

Mit der derzeitigen Dysbalance an den US-Anleihemärkten, der unvorhersehbaren wirtschaftlichen Situation in Europa und den USA und auch der Lage am Immobilienmarkt in China gibt es leider einige Wildcards, die für zusätzliche Probleme sorgen könnten. Ein solider Cash-Bestand ist derzeit das beste Pferd, auf das Investoren setzen können, damit man weitere Kurseinbrüche und die daraus entstehenden Einstiegspreise nutzen kann. Wenn es hart auf hart kommt und wir einen Bitcoin-Preis von 10.000 Dollar oder niedriger sehen sollten, dann sind das langfristig enorm gute Einstiegsgelegenheiten, die man ergreifen sollte, auch wenn die Lage derzeit so düster wie selten erscheint.

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