Ford kündigt nach Gewinneinbruch Radikalkur an

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Detroit (Reuters) - Ford hat seine Gewinnziele verfehlt und kündigt drastische Einschnitte an - auch in Europa.

"Wir hätten letztes Jahr viel besser abschneiden sollen", sagte Konzern-Chef Jim Farley am Donnerstag bei der Präsentation der Geschäftszahlen. Der Konzern habe "etwa zwei Milliarden Dollar an Profit auf dem Tisch liegen lassen". Seine Kritik bezog Farley nicht nur auf das Schlussquartal, in dem der Nettogewinn um elf Milliarden auf 1,3 Milliarden Dollar einbrach, sondern auf das gesamte abgelaufene Jahr. 2022 verfehlte der zweitgrößte US-Autobauer beim bereinigten operativen Ergebnis mit 10,4 Milliarden Dollar das selbst gesteckte Ziel von 11,5 Milliarden Dollar deutlich. Als Konsequenz kündigte Finanzchef John Lawler "sehr aggressive" Maßnahmen an, um die Kosten in Produktion und in der Lieferkette zu senken. "Alles ist auf dem Tisch."

Farley schilderte die Lage schonungslos: "Wir haben tief verwurzelte Probleme in unserem industriellen System", sagte er und fügte hinzu: "Dies war sowohl für mich als auch für mein Team demütigend." Die Probleme erstreckten sich auf eine Vielzahl an Bereichen: "Es gibt noch mehr zu tun in Europa. Es gibt mehr zu tun in China. Wir haben hier in den USA zu tun", sagte Finanzchef Lawler. "Unsere Kostenstruktur ist nicht wettbewerbsfähig und unsere Qualität nicht dort, wo sie sein sollte."

Damit steht Ford schlechter da als der Lokalrivale General Motors. Die Nummer eins in den USA hatte mit einem operativen Gewinnplus im vierten Quartal geglänzt und Analysten mit einem optimistischen Ausblick überrascht.

ROTE ZAHLEN IN EUROPA

Der Rivale aus Dearborn steckt wie GM mitten im Wechsel in die Elektromobilität und investiert Milliarden. Gleichzeitig tun sich Schwachstellen auf. In Europa, wo Ford bis zu 3200 Stellen in der Entwicklung streichen will, weitete sich der Vorsteuerverlust im vierten Quartal auf 400 Millionen Dollar aus, doppelt soviel wie im Vorjahr - bei unverändertem Umsatz. Das Werk in Köln wird gerade für den Bau von E-Autos umgerüstet, dort soll demnächst ein Wagen auf Basis der von Volkswagen entwickelten MEB-Plattform vom Band rollen. Dadurch spart Ford Entwicklungskosten ein. In der eigenen Entwicklungsabteilung fällt damit weniger Arbeit an, was Arbeitsplätze kostet. GM hat sich schon vor Jahren aus Europa zurückgezogen und die Tochter Opel an den späteren Stellantis-Konzern verkauft.

Wie tief die Einschnitte bei Ford gehen werden, sagte das Management nicht. Auf die Frage, ob es weitere Stellenstreichungen oder Werksschließungen geben werde, antwortete Lawler: "Wir haben Chancen bei den Materialkosten. Wir haben Chancen bei der Fertigung. Wir haben Chancen in unserer gesamten Lieferkette. Es geht wirklich um die industrielle Plattform und ein Teil davon wird die Produktivität sein." Es gebe Möglichkeiten, die Komplexität zu reduzieren. Er ließ offen, ob Werke dicht gemacht werden sollen. Den Standort in Saarlouis hat Ford bereits zur Disposition gestellt. Dort soll die Produktion des Ford Fokus 2025 eingestellt werden. Medienberichten zufolge verhandelt die Kölner Europazentrale mit dem chinesischen Autobauer BYD über einen Verkauf des saarländischen Werks.

Gleichzeitig belasten Qualitätsprobleme Fords Ergebnisse weiter. Lawler sagte, der Konzern sollte in der Lage sein, die Garantiekosten jährlich um zwei Milliarden US-Dollar zu senken. Aktuell sieht es allerdings so aus, dass mehr Kosten auf Ford zukommen könnten: Die US-Behörde für Straßen- und Fahrzeugsicherheit NHTSA hatte jüngst eine Überprüfung von mehr als 1,8 Millionen Fahrzeugen des Ford Explorer eingeleitet. Bei dem SUV-Modell der Baujahre 2011 bis 2019 könnten sich Teile der Windschutzscheibenverkleidung bei höherer Geschwindigkeit lösen.

Unklar ist, ob sich Ford auf einen Preiskrieg einlässt, was ebenfalls auf Kosten des Gewinns ginge. Nach den massiven Preissenkungen von Tesla hatte Ford die Preise für den SUV Mustang Mach-E um bis zu 5900 Dollar gesenkt und lockt die Kundschaft zudem mit günstigen Finanzierungskonditionen.

(Bericht von Paul Lienert, Joseph White, Mitarbeit von Ben Klayman, geschreiben von Jan C. Schwartz, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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