Das zweite Halbjahr wird gefährlich
Eine Zeit lang halten Börsianer oft an dem fest, was durchaus logisch erscheint. Das ließ sich auch in diesem Jahr wieder gut beobachten. Die Vorzeichen für Aktien am Beginn des Jahres waren alles andere als gut. Eine drohende Rezession, gepaart mit restriktiver Geldpolitik, ist nun wirklich nicht der Cocktail für einen steigenden Aktienmarkt. Doch auch dieses Jahr zeigt sich wieder, lange, aber eben nicht ewig, schaffen Anleger sich an die Logik zu klammern. Denn wenn die Kurse einfach nicht in die logisch erscheinende Richtung laufen wollen wie in diesem Jahr, folgen sie irgendwann diesen und nicht mehr der Logik.
Genau das lässt sich nun beobachten. Plötzlich kehrt der Optimismus zurück und dies ist jetzt nicht mehr nur ablesbar an den Stimmungsindikatoren, die quasi automatisch mit dem Trend auf positiv drehen. So ein Trend-Indikator ist der Fear&Greed-Index. Dieser steht mittlerweile im Bereich extremer Gier. Aber nun äußern sich zum Beispiel auch die amerikanischen Privatanleger wieder so positiv zum Aktienmarkt wie zuletzt 2021. Gleichzeitig steigt der Sentiment-Indikator von Goldman Sachs sprunghaft an. Mittlerweile scheinen diese aber ordentlich investiert zu haben, was auch die jüngst von 5,6 auf 5,1 Prozent gefallene Cash-Quote der von der Bank of America befragten internationalen Fondsmanager zeigt.
Fundamentaldaten rechtfertigen keinen anderen Marktausblick
Dabei hat sich nichts an den fundamentalen Aussichten geändert. Die Wirtschaft steht heute keinen Deut besser dar. Im Gegenteil. Die letzten Einkaufsmanagerindizes aus dem verarbeitenden Gewerbe fielen in den USA wie auch in Europa und insbesondere in Deutschland schlechter aus als erwartet. Zuletzt zeigte der Ifo-Geschäftsklimaindex den Pessimismus in den deutschen Chefetagen an. Die technische Rezession, in der Deutschland bereits steckt, dürfte sich in diesem und den nächsten Quartalen eher noch verstärken. Die Auftragseingänge sind grottenschlecht. In der Bauindustrie gingen sie zuletzt um 28 und in der chemischen Industrie um 23 Prozent zurück.
Der Mensch ist evolutionär ein Herdentier
Woher aber rührt dann der plötzliche Stimmungswandel? Ganz einfach. Es sind die Kurse selbst, die die Stimmung drehen, weil eben nichts schmerzhafter ist als steigende Kurse, bei denen man selbst nicht dabei ist. Das ist viel schlimmer als ein fallender Markt, in dem man engagiert ist. Dann verliert man zwar Geld, aber man hat das Gefühl, alle anderen verlieren auch. Steigt der Markt aber, stellt sich das Gefühl ein, alle anderen verdienen, nur man selbst nicht. Der Mensch ist evolutionär ein Herdentier.
Das ist im Alltag auch oft Verhalten, das belohnt wird, am Finanzmarkt aber gerade dann nicht, wenn der Herdentrieb am größten ist. Hier trennen sich die erfolgreichen von den nicht erfolgreichen Anlegern. Denn in dem Moment, wo die Mehrheit sich dem Trend anschließt, ist meistens der Punkt, wo der Markt kippt und das Logische sich doch durchsetzt. Das Fazit ist einfach. Weil zur restriktiven Geldpolitik und Konjunkturabschwächung jetzt auch noch der Optimismus dazu kommt, dürften die Kurse für dieses Jahr das beste hinter sich haben. Viel Luft nach oben gibt es nicht mehr.