Kolumne

Notenbanken überschätzt; Basiseffekte unterschätzt

Stefan Riße · Uhr
Quelle: Vintage Tone/Shutterstock.com

Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zeige Wirkung, ist in diesen Tagen in der deutschen Presse zu lesen – vor allem als Reaktion auf die jüngsten Inflationsdaten aus Deutschland, die mit 3,2 Prozent Anstieg in den Verbraucherpreisen weiter auf dem Weg in Richtung Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank sind. Auch die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wurde entsprechend gelobt.

In Bezug auf die EZB war das aber nicht immer so. Noch vor wenigen Monaten wurde sie dafür kritisiert, zu spät gehandelt zu haben und der Inflation und der Fed hinterherzulaufen. Nun aber kommt auch sie in den Genuss des Lobs.

Inflationsprognosen waren in letzter Zeit nicht schwer

Den Anstieg der Inflation vorherzusagen, war eigentlich nicht schwer. Durch die Schließung des Dienstleistungssektors, wie Restaurants und Reisen, aber auch durch die reduzierte Produktion aufgrund unterbrochener Lieferketten war das Angebot während der Coronakrise massiv eingeschränkt.

Gleichzeitig sammelten sich auf den Konten der Menschen riesige Bargeldbeträge. Zum einen natürlich, weil man das Geld nicht ausgeben konnte, zum anderen aber auch, weil in einigen Ländern, vor allem in den USA, die Bürger durch die Corona-Hilfen mit Geld überschüttet wurden. Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass die US-Bürger ohne die Corona-Krise deutlich weniger Einkommen gehabt hätten.

In Deutschland gab es zwar nur etwas mehr Kindergeld, aber durch die Kurzarbeit erhielt die arbeitende Bevölkerung noch fast das gesamte Einkommen. Da sie zu großen Teilen aber zu Hause saßen und nicht am Produktionsprozess teilnahmen, war aber auch hierzulande das Warenangebot knapp. Das führte zwangsläufig zu einem Anstieg der Inflation, die wir viele Jahrzehnte nicht oder nur im Rahmen des Zentralbankziels von zwei Prozent kannten.

Auch die jetzt wieder sinkenden Inflationsraten waren leicht vorherzusagen, und auch dass sie schneller fallen würden als allgemein angenommen. Selbst viele Experten haben nicht bedacht, wie stark die Basiseffekte wirken. Basiseffekte treten auf, wenn Preiserhöhungen genau ein Jahr zurückliegen. Die Preise sind dann zwar immer noch auf einem hohen Niveau, aber im Jahresvergleich liegen sie dann bei null oder sogar im Minusbereich, wie man jetzt bei den Erzeugerpreisen sehen kann.

Diese waren in Deutschland im vergangenen Herbst teilweise um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen und fallen nun mit einer Jahresrate von rund 15 Prozent. Weil dieser starke Preisanstieg nun ein Jahr zurückliegt, drücken diese Basiseffekte die Inflation nach unten. Dies wäre genauso der Fall gewesen, wenn die Notenbanken nicht so stark an der Zinsschraube gedreht hätten.

Ob die Zinserhöhungen wirken, wird sich erst später herausstellen

Die Nagelprobe für die Notenbankpolitik wird sich insofern erst wieder in rund einem Jahr zeigen. Dann jähren sich die vor einem Jahr rückläufigen Inflationsraten im Bereich der Erzeugerpreise. Wenn die Verbraucherpreisinflation dann immer noch bei drei oder vielleicht schon wieder bei zwei Prozent liegen, dann könnte man den Notenbanken ein gutes Zeugnis ausstellen. Aber ich bin da skeptisch.

Die Faktoren, die ich hier in vorherigen Kolumnen immer wieder benannt habe, wie die De-Karbonisierung, De-Globalisierung und Demographie, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu höheren Inflationsraten führen. Das heißt, die Zeit der niedrigen Inflationsraten, die wir bis zur Corona-Krise über viele Jahrzehnte kannten, ist wahrscheinlich vorbei.

Erst damit beginnt die eigentliche Aufgabe der Zentralbanken, die Konjunktur zu stützen, ohne dass die Preise wieder stärker steigen. Das wird aufgrund der genannten Faktoren ein schwieriges Unterfangen und ich bleibe bei meiner Prognose, dass dann im Zweifelsfall das Inflationsziel der Notenbanken auf vier Prozent angehoben wird. Denn die Inflation „auf Teufel komm raus“ zu bekämpfen, um sie wieder auf zwei Prozent zu drücken, würde bedeuten, die Wirtschaft in eine schwere Rezession zu führen.

Auch die Staatsdefizite wären dann nicht mehr finanzierbar, da diese derzeit überall - außer in Deutschland aufgrund der Schuldenbremse - für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft deutlich ansteigen. Der einzige wirkliche Schutz vor diesem Szenario werden dann wie schon zuletzt Aktien mit einem widerstandsfähigen Geschäftsmodell und einer entsprechenden Preissetzungsmacht sein.

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