Dax-Wert in der Krise

Bayer-Aktie – ein Schnäppchen für 2024?

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Quelle: Homepage Bayer

Autor: Ralf Anders

Noch 2015 war Bayer das wertvollste Unternehmen im Dax. Neun Jahre später wird der Konzern nur noch mit einem Bruchteil bewertet und tummelt sich im Mittelfeld. Viele Anleger sehen nach den Kurseinbrüchen eine geniale Einstiegschance. Jederzeit könnte sich der Kurs wieder auf den Weg zu früherem Glanz machen. Auch die hohe Dividendenrendite klingt für viele verlockend. Aber es sind natürlich auch Risiken zu beachten. Im Folgenden wollen wir uns einmal genauer ansehen, wie gut die Bayer-Aktie wirklich ist.

Was macht Bayer genau?

Früher galt Bayer als klassischer chemisch-pharmazeutischer Konzern. Seit jedoch die Basis- und Spezialchemie-Töchter abgespalten wurden, gibt es nur noch die Agrarchemie. Sie bildet zusammen mit dem Saatgutgeschäft und zugehörigen Dienstleistungen die branchenführende Division "Crop Science".

Etwa gleich groß ist die Division "Pharmaceuticals", in der die rezeptpflichtigen Medikamente angesiedelt sind. Hier geht es um schwerwiegende Krankheiten, welche die Forscher “besiegen” wollen, darunter Krebs, Parkinson, chronische Nierenerkrankungen und Herzinsuffizienz. Rund drei Dutzend Forschungsprogramme werden derzeit durch klinische Studien getrieben, um das Portfolio an vermarktbaren Wirkstoffen und Therapien zu stärken. Dazu gehören auch Augenerkrankungen sowie die hormonelle und reproduktive Gesundheit.

Weltberühmt ist Bayer darüber hinaus für sein Aushängeschild Aspirin. Aber dabei handelt es sich nur noch um ein Centprodukt. Es ist Teil der kleinsten Division "Consumer Health", welche rezeptfreie Gesundheitsprodukte umfasst. Dazu gehören auch weitere Marken wie Alka Seltzer, Bepanthen und Rennie. Insgesamt sind es über 170, die neben Medikamenten auch Hautpflege und Nahrungsergänzungsmittel umfassen.

Die grundsätzliche Ertragskraft ist beachtlich

In allen drei Segmenten verfügt Bayer über weltweit führende Plattformen, was eine gute Voraussetzung für die Erzielung einträglicher Margen ist. Schließlich können so Größenvorteile beim Einkauf, bei der Produktion und im Vertrieb ausgespielt werden.

Tatsächlich schreibt Bayer operative Gewinne in Milliardenhöhe. Nachdem die Pandemie kurzfristig für Turbulenzen im Zahlenwerk gesorgt hatte, bewegt sich die Marge vor Steuern und Zinsen (Ebit) seit einiger Zeit wieder auf einem soliden Niveau von rund 15 Prozent.

Aus Anlegersicht ist auch erfreulich, dass das Pharma- und das Agrarchemiegeschäft komplementär sind. Sie hängen von völlig anderen Faktoren des Marktumfelds ab und können daher in vielen Szenarien einander ausgleichen. 

Was auf der Aktie lastet

Gründe für die überaus schwache Entwicklung der Aktie lassen sich schnell finden. Zuallererst ist an den toxischen Monsanto-Deal zu denken. Dieser liegt zwar schon über sieben Jahre zurück. Aber: Die Klagewelle wegen vermeintlicher Schädigungen von Gesundheit und Umwelt durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und andere Chemikalien ist noch längst nicht abgearbeitet, obwohl Bayer bereits zahlreiche milliardenschwere Vergleiche mit Klägergruppen abgeschlossen hat. Neben den horrenden Anwaltskosten, die seit Jahren dafür anfallen, werden von der US-Justiz immer mal wieder neue drakonisch anmutende Strafen ausgesprochen. 

Dass die Marke Monsanto mittlerweile aufgegeben wurde, hilft da wenig. Die 63 Milliarden US-Dollar, die Bayer 2016 für das Unternehmen bezahlt hat, haben sich inzwischen zu einem guten Teil in Luft aufgelöst. Zuletzt hat Bayer erneut Wertminderungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro vornehmen müssen, weil im erhöhten Zinsumfeld die erhofften künftigen Gewinne weniger wert sind. Das Eigenkapital ist zum 30. September auf 33 Milliarden Euro abgeschmolzen. Einst waren es über 50. 

Aber auch abgesehen davon war zuletzt eine vergleichsweise schwache operative Entwicklung zu beklagen. Da Bayer in den ersten drei Quartalen des abgelaufenen Jahres keinen positiven operativen Cashflow erzielt hat und gleichzeitig die Finanzschulden steigen, verschlechtern sich die Bilanzrelationen. Im aktuell erschwerten Finanzierungsumfeld sind das schwierige Voraussetzungen. Zudem gingen der Umsatz und das Bruttoergebnis in den ersten neuen Monaten um drei Milliarden Euro zurück. 

Dass im November eine Studie für ein Medikament zur Schlaganfallprävention mangels Wirksamkeit vorzeitig abgebrochen wurde, ist natürlich auch schädlich für den Kurs. 

Die Frage ist nun, ob diese Herausforderungen nur temporär auf dem Unternehmenserfolg lasten oder ob die Substanz nachhaltig erodiert und daher eine niedrigere Bewertung gerechtfertigt ist.

Die Aussichten

Was die Pharma-Pipeline angeht, sieht es trotz des Rückschlags recht gut aus. Neue Produkte wie das Krebsmedikament Nubeqa und das Produkt zur Behandlung von chronischen Nierenerkrankungen Kerendia und das Augenheilmittel Eylea etablieren sich schnell und ersetzen damit anderswo wegfallende Erlöse, verursacht durch auslaufenden Patentschutz und sinkende Arzneimittelpreise.

Bezüglich der rückläufigen Profitabilität und des stagnierenden Umsatzes will der seit Juni amtierende Chef Bill Anderson mit tiefgreifenden Maßnahmen neue Dynamik entfachen. Er spricht von einer neuen Arbeitsweise, Entbürokratisierung, einer Entfesselung des Innovationspotenzials, der Verlagerung von Verantwortlichkeiten auf niedrigere Ebenen und der Verschlankung von Hierarchien.

Das bedeutet eine Reduktion der Mitarbeiterzahl, die Aufgabe von Randbereichen und vielleicht auch die Aufspaltung in zwei Konzerne. Einige der Maßnahmen wurden bereits eingeleitet oder in einzelnen Bereichen der Organisation eingeführt. Dieses Jahr soll das Fitnessprogramm konzernweit umgesetzt werden. Im März möchte das Management detaillierter berichten, welche Auswirkungen zu erwarten sind.

Das Gesamturteil

Wenn es CEO Anderson gelingt, Bayer auf Erfolg zu trimmen, dann könnte die Aktie Flügel bekommen. Trotz der schwierigen letzten Jahre muss man anerkennen, dass der Konzern über zahlreiche starke Plattformen verfügt und Umsätze im Bereich von 50 Milliarden Euro erzielt. Operative Gewinne von weit über 10 Milliarden Euro sind durchaus möglich, sobald die Maschine rund läuft. 

Bis dahin sind allerdings noch einige Hindernisse zu überwinden. So belasten die hohen Zinsen die Bilanz und US-Anwaltskanzleien führen weiterhin einen Feldzug gegen die Agrarsparte. Zudem darf man davon ausgehen, dass das von Anderson verordnete Fitnessprogramm zunächst für erhebliche Unruhe in der Belegschaft sorgt. 2024 wird daher bestenfalls ein Übergangsjahr mit vielen Reibungsverlusten, in dem wir noch nicht mit großen Kurssprüngen rechnen. 

Es könnte sich allerdings lohnen, sich hier auf die Lauer zu legen und genau zu beobachten, wie gut das Management mit seinem strategischen Umbau vorankommt. 

Offenlegung: Ralf Anders besitzt keine der genannten Aktien.

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