Kommentar zur US-Wahl

Politische Börsen haben kurze Beine? Schön wäre es

onvista · Uhr

Die Aktienmärkte reagieren mit Gewinnen auf den Wahlsieg von Donald Trump. Das ist kurzfristig logisch – langfristig sind die Perspektiven für Aktien aber schlechter geworden.

Quelle: lev radin/ Shutterstock

Jetzt herrscht also Klarheit. Donald Trump gewinnt die US-Präsidentschaftswahl, weil er in den wichtigen Bundesstaaten North Carolina, Georgia und vor allem Pennsylvania deutlich mehr Stimmen geholt hat als seine demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris. Den Republikanern könnte sogar noch ein "Sweep" gelingen, weil sie die Mehrheit im Senat erobert haben und aktuell auch bei der Wahl zum Repräsentantenhaus vorne liegen. Der neue US-Präsident könnte damit durchregieren. 

Die Kapitalmärkte reagieren darauf wie es im Vorfeld der Wahl zu erwarten gewesen war: Aktien steigen (Steuersenkungen!), Anleihen fallen (höhere Inflation wegen Zöllen!) und Bitcoin markiert ein neues Allzeithoch (weniger Regulierung!). Das hatten auch die Kapitalmarktbeobachter vorausgesagt für den schon vor der Wahl wahrscheinlichen Fall, dass Trump gewählt wird. 

Kurzfristig mag deshalb die Rally an den Börsen gut begründet sein – zumal mit dem klaren Wahlsieg Trumps eine durchaus mögliche lange Hängepartie um den Wahlausgang vermieden wird. Dass Trumps Wahl aber auch langfristig eine gute Nachricht für die Börsen ist, darf man durchaus bezweifeln. 

Trump zersetzt den US-Wettbewerbsvorteil

Denn der Erfolg westlicher Volkswirtschaften und ihrer Kapitalmärkte nach dem zweiten Weltkrieg beruht in wesentlichen Teilen auf den Prinzipien von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Frieden. Zu allen drei pflegt der nun neu gewählte Präsident ein, gelinde gesagt, schwieriges Verhältnis. 

Nehmen wir die Demokratie: Seine Wahlniederlage gegen den Demokraten Joe Biden im Jahr 2020 hat er nie eingestanden und stattdessen versucht, Wahlleiter in den Bundesstaaten davon abzuhalten, das Ergebnis zu ratifizieren. Im Januar 2021 dann wiegelte Trump in Washington Anhänger mit der Lüge von einer angeblich gefälschten und gestohlenen Wahl auf. Sie stürmten später das Kapitol in Washington, als Präsident Biden vereidigt werden sollte. Fünf Menschen starben dabei.

Auch in diesem Jahr hat Trump vor der Wahl wissen lassen, dass er das Ergebnis nur im Falle seines Sieges akzeptieren werde und Gerüchte über Wahlbetrug gestreut. Demokratische Normen, Regeln und Werte hat er damit über den Haufen geworfen.

Trump setzt auf Loyalisten

Das gilt auch für das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Die juristischen Prozesse, die gegen ihn laufen – unter anderem wegen seiner Rolle beim Sturm aufs Kapitol sowie die versuchte Beeinflussung des Wahlleiters in Georgia bei der Wahl 2020 – bezeichnet Trump als „Hexenjagd“. 

Ihm kritisch gegenüber stehende Beamte hat Trump schon in seiner ersten Amtszeit gefeuert. 2017 ereilte dieses Schicksal etwa FBI-Direktor James Comey, der eine Untersuchung zu möglicher russischer Einmischung in die US-Wahl 2016 eingeleitet hatte. 2020 entließ Trump Christopher Krebs, der als Direktor für Infrastruktur-Sicherheit auch für die Sicherheit der US-Wahl 2020 verantwortlich war und Trumps Behauptung, die Wahl sei gestohlen, zurückgewiesen hatte.  

Das System der "Checks and balances", also der Kontrolle von Macht, das zu den Kern-Wettbewerbsvorteilen der USA im globalen Wettstreit zählt und die USA für internationale Investoren so attraktiv macht, untergräbt der neu gewählte Präsident so. 

Die staatliche Verwaltung mit Loyalisten zu besetzen und so die Gewaltenteilung auszuhebeln ist auch Kernelement des sogenannten „Mandate for Leadership“ oder "Project 2025"; eines Plans für eine konservative Regierung ab dem kommenden Jahr, die der konservative Thinktank Heritage Foundation entwickelt und veröffentlicht hat. Das zielt darauf ab, die Macht der Exekutive beim Präsidenten zu konzentrieren.

Die Judikative hat Trump bereits in seiner ersten Amtszeit durch die Ernennung dreier konservativer Richter am Obersten Gericht („Supreme Court“) in seinem Sinne verändert. Ein Urteil eben jenes Gerichts aus dem Sommer gewährt einem Präsidenten Trump zudem weitgehende Freiheit vor Strafverfolgung. 

Trump bewegt die USA Richtung Autokratie

Die zweite Präsidentschaft von Trump wird – davon muss man heute ausgehen – die USA deutlich in Richtung Autokratie bewegen; zumal Trump in beiden Kammern des Parlaments über Mehrheiten verfügen dürfte.

Eine hohe politische Machtkonzentration aber ist langfristig auch schlecht für Kapitalmärkte. Das jedenfalls legt ein Blick auf die Aktienmarktentwicklung von Autokratien nahe. Es ist schließlich kein Zufall, dass etwa der chinesische Aktienmarkt trotz riesiger volkswirtschaftlicher Wachstumsraten in den vergangenen 15 Jahren nur drei Prozent pro Jahr zulegte (siehe unten) und damit erheblich weniger als der Aktienmarkt des wachtstumsschwachen Deutschland (5,4 Prozent) – von den USA mal ganz zu schweigen.

Dass autokratische Systeme langfristig schlecht sind für Aktienmärkte, zeigen auch wissenschaftliche Untersuchungen, etwa eine dieses Jahr im Journal of Financial Research veröffentlichte Studie. Und das ist logisch. Denn ein funktionierender Rechtsstaat mit freier Presse (noch so ein Trump-Sujet) schützt auch Eigentum vor staatlicher Willkür und schafft Sicherheit. 

Trump dagegen hat in der Vergangenheit immer wieder Bewunderung für autokratische Herrscher wie etwa den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgedrückt. Womit wir beim dritten Punkt wären: Frieden. Trump hat erst im Februar den Nato-Beistand für von Russland attackierte Länder in Frage gestellt und dürfte die amerikanische Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg drastisch zurückfahren.

Das schafft vielleicht „Frieden“ in dem Sinne, dass der Aggressor Russland seine Kriegsziele erreicht und weite Teile der Ukraine unter seine Kontrolle bringt. Für die etablierte Nachkriegs-Sicherheits-Architektur, die den wirtschaftlichen Aufschwung des Westens überhaupt erst ermöglicht hat, wäre beides aber extrem schädlich. 

Zusammen genommen ergibt das für die globalen Aktienmärkte, deren wichtigstes Zugpferd die USA sind, eine wenig erbauliche Perspektive für die kommenden Jahre. Das alte Börsen-Sprichwort, wonach politische Börsen kurze Beine haben, könnte sich im Falle Trumps noch als obsolet erweisen. 

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